Главная » Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee: Die Reise der Kreuzerkorvette Ariadne in den Jahren 1877-1881 (Bartholomäus von Werner) (Literarische Gedanken Edition) читать онлайн | страница 100

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Gegen 1½ Uhr hatte die Maschine Dampf, die Segel wurden festgemacht, und unter Annahme der Lootsendienste, welche die Eingeborenen anboten, ging es nach dem Ankerplatz, wo wir gegen 2 Uhr ankerten. Ich entschloß mich, sogleich an Land zu gehen, um den Ort zu besichtigen und namentlich zu versuchen, für meine Mannschaften einigen frischen Proviant zu erhalten. Vorher wollte ich dem Häuptling noch eine Freude machen und rief ihn in die Kajüte, um ihm ein wollenes Hemd zu schenken. Die drei andern kamen natürlich mit und ich mußte nun, ehe ich mein Geschenk los werden konnte, Zeuge einer sehr komischen und doch zu ernstem Nachdenken anregenden Scene sein.

In der Vorkajüte stehen an einer Wand auf Sockeln drei Statuetten nebeneinander, in der Mitte die Ariadne von Dannecker, in ein Drittel Lebensgröße, rechts die Venus Kallipygos, links die Mediceische Venus, beide in ein Viertel Lebensgröße. Die Blicke der Insulaner schweifen an den Wänden entlang, über die dort hängenden Bilder hinweg und bleiben dann beim Umwenden plötzlich an diesen Statuetten hängen. Mit offenem Mund und weit geöffneten Augen stehen die Leute stumm da, sehen mich einen Augenblick an, richten aber ihre Blicke wieder schnell auf die Bildwerke und stoßen, mit halberstickter Stimme nach Athem ringend, nur den Staunensruf „Ai! A-i!“ aus. Die einzige Frage, welche sie noch zu stellen wagen, ist die, ob das Thier, auf welchem die Ariadne sitzt, wirklich ein Bär sei. Von den Männern wilder oder halbcivilisirter Völkerschaften darf man ja nie äußere Zeichen des Staunens erwarten, weil es bei ihnen zum guten Ton gehört, gegen Fremdes Gleichgültigkeit zu heucheln; die Sinne dieser Männer mußten daher sehr gefesselt sein, wenn sie sich soweit vergaßen, wie sie es gethan haben. Ich war nun aber nicht sicher, ob das Erstaunen nur der künstlerischen Arbeit oder den schönen classischen Formen galt, wollte jedoch Gewißheit haben. Ich rufe die Leute daher in mein Arbeitszimmer, wo zwei colorirte Bilder hängen, welche zwei duftige leichtbekleidete Mädchengestalten mit bunten Bändern im Haar darstellen. Auf den Zehenspitzen folgen sie mir, das ganze Gesicht nur Staunen und Verwunderung. Ich fordere sie auf sich umzudrehen, und in stiller Andacht bleiben sie vor diesen zarten Mädchenblumen stehen, welche durch weiter nichts als durch ihre feinen Farben zur Geltung kommen. Kein Auge wenden sie von den Bildern, als ob sie dieselben sich für immer einprägen wollten, und ich muß sie schließlich hinausdrängen. Nur mit Widerstreben folgen sie, und ihre etwas verdüsterten Mienen hellen sich erst wieder auf, als sie in der Vorkajüte die Puppen wiederfinden und ich sie auffordere, dort solange Platz zu nehmen, bis ich meinen Anzug für den Landgang in Ordnung gebracht habe. Ich unterließ aber nicht, die Thüre zwischen uns offen zu halten, um diese angeblich diebischen Menschen beobachten zu können, obgleich die offenen, ehrlichen Gesichter eigentlich jeden Verdacht beseitigen müssen. Die Statuetten haben es den Naturkindern aber so sehr angethan, daß sie heute keine Zeit zum Stehlen finden, wenn sie auch sonst Neigung dazu verspüren sollten — nur diese ziehen magnetisch ihren Blick an, alles andere ist für sie nicht vorhanden.

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