Читать книгу Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee: Die Reise der Kreuzerkorvette Ariadne in den Jahren 1877-1881 (Bartholomäus von Werner) (Literarische Gedanken Edition) онлайн
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Die vier Insulanerinnen in meiner Kajüte zu sehen, war wirklich ein seltenes Vergnügen. Ehe sie überhaupt eintreten, stellen sie sich hintereinander in einer Reihe auf, eine hält sich am Kleid der andern fest, in den Gesichtern liegt theils Entsetzen über das was jetzt nun wol kommen wird, theils Neugierde. Im Gänsemarsch treten sie ein, um sich in der Kajüte selbst auch in derselben Ordnung zu bewegen. Die Sonne scheint hell durch die Fenster und beleuchtet grell die bunten Farben des Teppichs, des rothen Plüschsophas und der rothen Fenstervorhänge. Von dieser Pracht geblendet, bleiben unsere Freundinnen zunächst stehen, um in den wiederholten Ruf: „A—i! A—i!“ auszubrechen. Die vorher etwa dagewesene Angst ist verschwunden, die Sinne concentriren sich in den Augen, um mit diesen alles zu erfassen, und es ist doch so viel zu sehen. Der Teppich, das Sopha, der schwere blankpolirte Tisch, die vielen Stühle, die goldglänzende große Hängelampe, die kleinen polirten Eckspinde, die vielen Bilder. Plötzlich stößt die eine ein mehrmals schnell wiederholtes „Ai!“ aus, reißt die andern an den Kleidern herum, daß sie ordentlich herumwirbeln, und alle vier stehen vor den Statuetten, die Hände hinter den Ohren, Mund und Augen weit aufgerissen. Ich weiß nicht, ob dieses Erstaunen den Bildwerken oder ihren eigenen dummen Gesichtern gilt, welche sie in dem hinter den Puppen hängenden Spiegel sehen, doch ein Blick überzeugt mich, daß ihre Augen auf die Puppen gerichtet sind. Wir sind für die vier Frauen nicht mehr vorhanden, denn bald ist alle Scheu geschwunden und sie fangen an sich zu unterhalten, als ob sie allein bei sich zu Hause wären. Die eine ruft die andern, hält den Rücken ihrer rechten Hand unter ihre Nase und zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger und verschmitztem Blick auf die Figuren. Eine andere zeigt auf die aus dem Spiegel zurückgeworfene Rückseite der Venus und kann nicht widerstehen, die Puppe an der Originalseite zart zu streicheln; dann kommt sie aber plötzlich zur Erkenntniß, wo sie eigentlich ist, denn sie zieht entsetzt ihre Hand zurück, steckt sie schnell in den Mund und sieht mich mit einem wahrhaft rührenden, halb entsetzten halb bittenden Blick an, was ich zu dieser Kühnheit wol sagen werde. Als ich ihr dann lachend zunicke, sind alle wie von einem Alp befreit und beginnen nun sämmtlich zu streicheln, dabei fortwährend schwadronirend und kichernd; nur eine bleibt ernst, sie steht mit geneigtem Kopf vor der Ariadne und streichelt mit ganz besonderer Andacht deren Büste, auch die andern streicheln nicht die Masse, aus der die Puppen gebildet sind, sondern suchen sich ihre Stellen aus.