Читать книгу Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee: Die Reise der Kreuzerkorvette Ariadne in den Jahren 1877-1881 (Bartholomäus von Werner) (Literarische Gedanken Edition) онлайн
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Mit dem Einlaufen in diesen Kanal kamen wir plötzlich in eine ganz andere Welt. Die Landschaft, durch welche während der letzten Tage unser Weg führte, hatte gewiß einen winterlichen Anstrich, die Temperatur war verhältnißmäßig niedrig, so niedrig, daß wir trotz Sonne und Windstille Winterkleider trugen; der empfangene Eindruck mahnte aber nicht an den Winter, wir waren vielmehr uns dessen wohl bewußt, daß wir in dem Sommer einer hohen Breite waren. Jetzt treten die schneebedeckten Gipfel zurück, wir sehen nur die Felswände des Hohlwegs, welche ebenso wie die unter Windstille liegende Flut von der vor und über uns im Mittag stehenden Sonne warm beschienen werden; die Temperatur ist höher als während der letzten Tage und hält sich auf 14° R.; wir befinden uns im Hochsommer auf einer Breite, welche Heidelberg entspricht, sind heute auch leichter bekleidet und trotzdem ist der Eindruck auf Auge und Gefühl eines jeden von uns der eines schönen, sonnigen Wintertages. Die Umgebung bietet nur wenig Abwechselung, und nur hin und wieder gestattet eine Schlucht einen Blick auf die ferner liegenden Schneeberge. Wie im Schiffe so herrscht überall sonntägliche Ruhe; einzelne hervortretende Punkte, welche das Schiff in seinem gleichmäßigen raschen Laufe passirt, werden zur Ortsbestimmung benutzt, die übrige Zeit gehört den Gedanken. Wo meine Gedanken weilen ist nicht schwer zu errathen: in der Heimat bei Weib und Kindern, welche nach ihrem Tageswerk jetzt wol beim Abendbrot sitzen. Meine Augen ruhen ohne zu sehen und ohne sehen zu wollen auf dem vor uns liegenden Bilde, das in seiner melancholischen Eintönigkeit den Menschen abstößt und ihn auf seine Gedanken allein verweist. Ein schnurgerader Hohlweg von solcher Länge, daß der Wasserhorizont noch vor den in weiter Ferne für das Auge zusammenstoßenden Seitenwänden liegt, unter uns ein schmaler Streifen blau-grauen spiegelglatten Wassers, zu beiden Seiten nackte und düster gefärbte Felswände von gleicher Höhe, über uns ein schmaler Streifen des wolkenlosen Himmels und in diesem die heißstrahlende Sonne. Auf solcher Scenerie kann das Auge wol ruhen ohne zu sehen, und doch ist plötzlich der Blick gefesselt, meine Gedanken kehren zum Schiffe zurück. An der Wassergrenze vor uns tauchen weiße Flecken auf, welche in grellem Contrast zu der hinter dem Horizont liegenden dunkeln Felsenwand stehen; wir sind in dem Kanal, welcher häufig Treibeis haben soll, und die neue Erscheinung kann nur Eis sein. Mit unserm Vorschreiten verwandeln sich denn auch die Flecken in Eisschollen, und bald läuft das Schiff in ein großes Eisfeld hinein, wirft die kleinen Schollen zur Seite, geht den großen aber vorsichtig aus dem Wege. Der ganze Kanal ist hier mit Treibeis der verschiedensten Formation bedeckt; einige Stücke sind krystallklar, andere milchig; die große Mehrzahl allerdings hat die schöne hellgrün-blaue Farbe der Gletscher. Einzelne dieser in phantastische Formen zusammengeballten Eisschollen sind kleine Eisberge von 6-10 m Dicke und wahre Prachtstücke in Bezug auf Formen und Schönheit ihrer Farben; ja sie suchen mit dem Glanz eines Edelsteins zu wetteifern, sobald sie von den Strahlen der Sonne getroffen werden.