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Auf der Rückfahrt ins Präsidium musste Rogge vor einer Ampel einmal hart auf die Bremse steigen, weil er das Umspringen auf Gelb verdöst hatte. Hinter ihm kreischten Reifen, instinktiv sah er in den Rückspiegel, es hatte gerade noch gereicht, aber zwischen beide Stoßstangen passte wahrscheinlich nur noch ein Blatt Papier. Entschuldigend hob er eine Hand, doch der Fahrer senkte rasch den Kopf, als wolle er verbergen, was er von dem Trottel vor ihm wirklich dachte.

»Blödmann!«, grummelte Rogge verärgert. Einer dieser unerträglich schönen Sonnenbrillentypen.

Den Rest der Strecke fuhr Rogge vorsichtiger, schaute häufiger in den Rückspiegel, aber er begann sich erst zu wundern, als er vom zweiten Ring in die Einbahnstraße abgebogen war und dieser Schönling immer noch hinter ihm hing. Wollte der was von ihm? Doch als er auf den Parkplatz des Präsidiums steuerte, gab der Knabe Gas und röhrte ganz knapp hinter seinem Heck vorbei. Es gab schon seltsame Geschöpfe auf Gottes weiter Welt!

Von den zehn Planstellen des Ersten Kommissariats waren drei nicht besetzt. Kollege Schubert lag nach einem Autounfall immer noch in der Klinik, der Trümmerbruch wollte einfach nicht verheilen. Nach der Versetzung der Kollegin Ackermann musste ihre Stelle im Zuge der Sparmaßnahmen sechs Monate frei bleiben. Für den Kollegen Henrich, der zu einem Lehrgang abgestellt war, gab es erst recht keinen Ersatz. Früher hatten zwei Frauen die Sekretariatsarbeiten im Dienstzimmer erledigt; seit dort der Computer Einzug gehalten hatte, war eine Stelle gestrichen worden. Es klemmte an allen Ecken und Kanten und die Schutzpolizei verlangte lautstark, mehr als bisher bei der Kripo zu sparen. Das immer schon wenig harmonische Verhältnis hatte einen bösen Knacks bekommen, nachdem das Tageblatt Anfang des Jahres ein von der Schutzpolizeiführung ausgearbeitetes Organisationskonzept veröffentlicht hatte. Danach sollten das Präsidium drastisch verkleinert und auf allen Revieren selbstständige Kriminalwachen eingerichtet werden. Uniform macht dumm und machtgeile Imperialisten hatte der Bund der Kriminalbeamten in seinem BdK-Verbandsorgan zurückgekeilt, was genau den falschen Auftakt für eine, wie Rogge fand, längst überfällige Reformdiskussion abgab. Im Moment wurde geschimpft, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Unmittelbar vor den Personalratswahlen hatte der BdK in einer Öffentlichkeitsaktion die ob der steigenden Kriminalität verunsicherten Bürger aufgefordert, Möbel und technisches Gerät für die völlig unzureichend ausgestattete und deshalb so erfolglose Schutzpolizei zu spenden; die Erfinder der Aktion rieben sich die Hände, es flössen tatsächlich Spenden, und die Schutzpolizeiführung, die zähneknirschend diese Wohltaten in Empfang nehmen musste, überlegte krampfhaft, wie sie diese Gemeinheit heimzahlen konnte. Seit einiger Zeit kursierten Memoranden und Unterschriftenlisten aller möglichen Gruppen im Präsidium und Rogge wollte nicht darauf wetten, dass seine Leute seine dienstliche Anweisung befolgten, sich aus diesem Zank herauszuhalten und keine Stellung zu beziehen. Natürlich war dieser Befehl längst im ganzen Haus bekannt und einte wahrscheinlich die Zerstrittenen wenigstens in einem Punkt, nämlich in ihrer Abneigung gegen den Leiter des Ersten K., der sich bis jetzt geweigert hatte, seine Meinung kundzutun. Grem gehörte zu den lautstarken Verteidigern der Kripo und reagierte wie der Stier auf das rote Tuch, wenn er nur die Wörter Gewerkschaft der Polizei hörte. Und er verfocht mit Grem’scher Sturheit die These, dass jeder gegen ihn sei, der sich nicht explizit für ihn aussprach.

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