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»Was liest du denn gerade?«, wollte seine Tante als Nächstes wissen.

Hermann Mahlgast druckste ein bisschen herum. »Am liebsten etwas über Technik.«

Liesbeth Cammer war darüber nicht sonderlich begeistert und hielt ihm einen längeren Vortrag über Dichter der neueren Zeit, die er unbedingt lesen müsse. »Ferdinand Freiligrath – diese wunderbare Naturmalerei …«

Nach unendlich langen Minuten des literarischen Exkurses hörte Hermann Mahlgast schon gar nicht mehr zu. Literatur langweilte ihn, einzig Naturwissenschaften und Technik zählten für ihn. Nach einer guten Stunde war das gemeinsame Kaffeetrinken beendet, und seine Tante entließ ihn wieder. Er konnte nach Hause laufen, während sich Liesbeth Cammer in den Geschäften nach neuer Garderobe umsehen wollte.

In der Belle-Alliance-Straße ging er ganz langsam die Treppe hinauf. Wenn er Glück hatte, kam ihm Emilie entgegen. Sie war so alt wie er, und schon seit Wochen saß er in seiner Kammer und versuchte, ihr einen Liebesbrief zu schreiben. Aber nie war er mit einem Entwurf zufrieden, immer wieder zerriss er das Briefpapier, das aus den Vorräten seiner Mutter stammte. Noch weniger wollte ihm ein Gedicht gelingen. Er war eben kein Poet. Auch ein Aquarell, das er für sie gemalt hatte, eine romantische Felsschlucht, wagte er nicht, in ihren Briefschlitz zu stecken. Zum einen erschien es ihm nicht vollkommen genug, zum anderen war zu befürchten, dass es ihre Mutter fand. Was er aber wirklich gut zeichnen konnte, waren Lokomotiven und Brücken, die er nach real existierenden Vorbildern zu Papier brachte, und Hochbahnzüge, diese aber weithin als Phantasieprodukte. Aber das war doch nichts, womit er einem jungen Mädchen imponieren konnte.

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