Читать книгу Mordsverlust. Steuerberater-Krimi онлайн
64 страница из 83
Ich entschied mich für einen Weißwein und sie ging über die drei Terrazzostufen in ihr Wohnhaus.
„1786” verkündete stolz die Zahl, die man in den steinernen Türsturz gemeißelt hatte, das Baujahr. Es war die Zeit der französischen Revolution, die Zeit, als George Washington der erste Präsident der USA war und Goethe seine berühmte Italienreise machte. Die Jahreszahl war noch ergänzt worden um den Namen des ehemaligen Bauherrn: August Hehl.
Annähernd zwanzig Familien in der 735-Seelengemeinde Bernheim trugen diesen Namen. Irgendwie waren sie alle miteinander verwandt. Inzwischen waren sie natürlich weiträumiger und stärker gemischt als noch im 18. Jahrhundert. Selbst denen, die hier geboren und miteinander aufgewachsen waren, erschlossen sich die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Hehls, der Langs, der Lahrs, der Schöns und noch einiger weiterer – bewusst – nur mit Mühe.
Trat man allerdings einem von ihnen auf die Füße, bildlich gesprochen natürlich, im Gesangverein, im Gemeinderat, im Landfrauenverein oder auch nur beim Stammtischgespräch im Bernheimer Schafbock, wurde man innerhalb kürzester Zeit gewahr, wo die Blutsbande verknüpft waren. Mit offenbar genetisch gesteuertem Instinkt solidarisierten sich Namensgleiche und gleichnamig geborene Dorfbewohner in einhelligem Schulterschluss gegen den Frevler. Böse Blicke, ein nur noch knapper oder erst gar nicht gebotener Gruß, schroffe oder patzige Antworten auf freundlich gestellte Fragen waren die offen erkennbaren Signale kollektiver Abstrafung.