Читать книгу Unschuldsengel. Kappes neunter Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1926) онлайн
51 страница из 52
Mina schaute aus dem Fenster. Bei dem schönen Wetter schienen fast nur Liebespaare unterwegs zu sein. Einige hielten sich an den Händen, einige wagten dies nicht und beschränkten sich auf verzehrende Blicke. So viele Menschen, die einander liebten! Trauerte sie Siegfried vielleicht völlig umsonst hinterher? Gab es die wahre Liebe überhaupt? Oder war dies nur eine Illusion hoffnungsloser Romantiker, die nicht wahrhaben wollten, dass man mit jedem Menschen zusammenleben konnte, wenn man nur halbwegs ähnliche Interessen hatte?
Sie stand auf, damit sie an der nächsten Station aussteigen konnte, und überlegte, ob sie ein Beispiel fand. Natürlich! Ihre Eltern waren doch so ein Fall. Die beiden behandelten einander stets mit Respekt. Doch solange sie denken konnte, hatte Mina sie niemals händchenhaltend oder sich eng umschlungen küssend gesehen. Mina erinnerte sich an den Tag, als sie ihre Mutter einmal fragte, ob sie verliebt in ihren Vater sei. Die Mutter wischte sich ihre Hände an der Schürze ab und sagte, Liebe wäre purer Luxus. Mina war damals zu klein, um die tiefere Bedeutung der Worte zu verstehen. Was sie jedoch verstand, war, dass sie nicht weiter nachfragen sollte. Doch inzwischen begann sie zu erahnen, was hinter den Worten ihrer Mutter stecken mochte. Wer weiß, ob sie an Siegfried nicht nur so hing, weil er der Erste gewesen war, der Interesse an ihr gezeigt hatte. Und mit Emil Weinhaus hatte sie sich ja immerhin sehr gut unterhalten. Das war doch durchaus ein Anfang. Alles Weitere sollte sie einfach abwarten.