Читать книгу Das schöne Fräulein Li. Kappes siebenter Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1922) онлайн
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Gleich wird Klara wieder vor ihm stehen, denkt er, und ihm eine Predigt halten, dass er aufstehen müsse. Er wird dann sagen, er wolle nur noch einen kleinen Moment «nachdenken». So nennt er das immer, wenn er noch im Bett bleiben will. Klara wird, wenn sie gut gelaunt ist, darauf eingehen und sagen, er solle im Präsidium weiterdenken, denn dort werde er dafür bezahlt, oder sie wird einfach nur sagen: «Raus jetzt!»
Was sie an diesem Morgen sagt, bekommt er nicht so genau mit. Er weiß nur, dass sämtliche Informationen, die in seinem Kopf ankommen, langsamer verarbeitet werden als sonst. Deshalb braucht er auch am Küchentisch einen Moment länger, um die Tragweite des Satzes von Klara zu verstehen, die sagt: «Am Freitag beginnt im Graphischen Kabinett Neumann eine Ausstellung von Max Beckmann. Die könnten wir uns doch ansehen, und dann könnten wir uns gleich mal nach ’ner besseren Wohnung umsehen, dort im Westen. Du hast es mir ja versprochen.»
Eigentlich wollte er seit dem Eheversprechen kein weiteres Versprechen leichtfertig abgeben, aber er erinnert sich dunkel daran, mal gesagt zu haben, man könne über einen Umzug reden. Mehr aber nicht. Nur weil da diese Angeber wohnen, will Klara da auch hin. Ausgerechnet sie, eine ehemalige Verkäuferin aus dem Kaufhaus. Sie weiß, dass George Grosz mit seiner Frau Eva Peters an den Hohenzollerndamm 201 gezogen ist. Sie weiß, dass es vor zwei Jahren die erste internationale Dada-Messe in Berlin gab. Diese Reichswehr-Beleidiger, diese Klassenhass-Aufstachler mussten ja zahlen dafür: Verleger Herzfelde sechshundert und Grosz dreihundert Mark, wenn sich Kappe recht erinnert. Und ausgerechnet seine Frau muss solche hässlichen Gestalten auf Bildern gut finden, solche ätzenden Karikaturen kahlköpfiger Kriegsgewinnler und verstümmelter Kriegsheimkehrer, die blind und amputiert Streichhölzer feilbieten. Hätte sie nur vor zwei Jahren Hartmut nicht im Urban bekommen! Sie hätte Ruth, die andere Mutter im Krankenzimmer, nie kennengelernt, diese Kunst-Amsel, die im Malik-Verlag arbeitet. Naja, nun war es eben so.