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Früh am Morgen wickelte Nora der schwanzwedelnden Isa eine Leuchtweste um den Rumpf, schwang sich auf ihr Rennrad, an ihrem Kopf eine hell leuchtende Stirnlampe befestigt, und startete ihre morgendliche Radrunde entlang der Kollau durchs Niendorfer Gehege. Der Wind pustete eiskalt unter ihre Sportjacke, die sich zu einem Ballon aufblähte, und ließ sie frösteln. Um warm zu werden, trat sie die Pedale immer schneller und erkundete das dunkle Gehege mit den schwarzen, knorrigen Bäumen. Ihr Stirnlicht und der silberfarbene, hell leuchtende Mond wiesen ihr mit bizarren Schatten den Weg. Gelegentlich drehte sie sich zu Isa um. Mit beklemmenden Gefühlen im Bauch ließ sie die gestrigen Ereignisse Revue passieren. Vor allem dachte sie über die Begegnung mit ihrer Schwester nach. Sie und Lotta hatten in Hamburg viele Jahre nebeneinanderher gelebt, ohne von der jeweils anderen zu wissen. In dieser großen Weltstadt waren sie sich nicht ein einziges Mal begegnet. An Familientreffen nahm Lotta auch schon lange nicht mehr teil. Trotzdem hatte sich Nora mehr als einmal vorgestellt, wie die Begegnung zwischen ihnen verlaufen würde. Was sie tun müsste, um Lotta zurückzugewinnen. Aber sie hatte auch ihre Härte und Unnachgiebigkeit gefürchtet. Ungeachtet ihrer Bedenken hatte sie Lotta trotzdem gesucht. Über Facebook und über die Einwohnermeldedaten hatte sie schnell ausgemacht, wo sie wohnte. Schon einige Male hatte sie mit ihrem Fahrrad vor Lottas Wohnung gestanden und zum erleuchteten Fenster hochgeschaut. Sie hatte es auch einige Male geschafft, bis zur Haustür vorzudringen, den Impuls zu klingeln hatte sie jedoch immer unterdrückt. Wenn ihr Zeigefinger auf dem Klingelknopf geruht und sie sich mit einem klebrigen Kloß im Magen vorgestellt hatte, was sie ihr sagen könnte, hatte ihr stets der Mut gefehlt zu klingeln. Gestern war nun der Moment gekommen, wo sie sich Lotta hätte nähern können, stattdessen musste sie ihr die Todesnachricht ihrer Lebensgefährtin überbringen.

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