Читать книгу Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56. Band 41 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski онлайн
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Es war im Hochsommer 1950. Ich kam gerade von einer Auslieferungstour vorzeitig zurück, die Ladentür war weit auf, und nur ein Kunde befand sich im Laden. Ich wollte gerade nach hinten in den Geschäftsraum gehen. Sie saß mit dem Rücken zu mir und telefonierte. Ich trat leise ein, um sie nicht zu stören und blieb wie vom Blitz getroffen stehen, denn es war mein Name gefallen. Und nicht nur das, sie sagte dem Unbekannten am anderen Ende der Leitung: „Halte ihn noch 14 Tage hin, wir haben ihn bald weich geklopft.“ Ich dachte ich höre nicht richtig. Es ging um mich persönlich und um meine Bewerbung für den eventuellen Ausbildungsplatz bei Herrn Krollmann! Sie wollte verhindern, dass ich im Atelier Krollmann eine Lehre, wie man früher sagte, beginnen konnte. Ganz sicher wollte sie mich als Boten weiterarbeiten lassen, und vielleicht hätte ich dann 20 DM für die Sechstagewoche im Monat bekommen. Ich drehte mich geräuschlos um, ging fassungslos zurück bis in den alten Fischereihafen, setzte mich gegenüber der Bunkerfirma Glüsing am Kai auf einen Poller und ließ erst einmal den Kopf hängen. Das war ein starker Tobak, und ich wusste nicht mehr weiter. Ich hatte nie damit gerechnet, so verschaukelt zu werden. Hass kam in mir hoch, Hass auf die Erwachsenen, auf diese Käte Neubauer, für die ich nur eine Bauernfigur war im Schachspiel ihres Geschäftsumfelds und die mich nur benutzte. Hass auf meinen Vater, der mich als landwirtschaftlichen Lehrling auf einem Gut in Halchter bei Wolfenbüttel in der Nähe meiner dort verheirateten Cousine unterbringen wollte. Mehr fiel dem kleinen, abgetakelten Herrenmenschen nicht ein. „So nicht, ihr lieben Leute“, grollte ich. „Ihr kriegt mich nicht!“, schwor ich bei Gott und allen Heiligen. „Ihr schafft mich nicht!“, und dann sah ich die Fischkutter an dem Kai dümpeln, Hochseekutter aus Finkenwerder. Und ich sah die Männer an Bord. Und ich fasste mir ein Herz, nachdem ich meine Enttäuschung langsam runtergeschluckt hatte. Fragen kostet ja nichts. Vor mir lag zufällig der Hochseekutter „DOGGERBANK“, der dort Gasöl bunkerte. Ich überwand meine Scheu, fragte den Bestmann, ob ich an Bord kommen dürfe, stellte mich als Schüler vor und fragte, was ich unternehmen müsste, um als Schiffsjunge auf einem Kutter anzumustern und ob sie mich nehmen würden. Der Kapitän, der Bestmann und der Matrose schauten mich lange an, dann snackten sie auf Finkenwerder Platt, um mir die Formalitäten zu erklären. Ich hatte vorher noch nie platt gehört, denn bei uns zuhause wurde nur hochdeutsch mit schlesischem Akzent gesprochen. Aber diese Männer behandelten mich nicht ganz so wie einen dummen Jungen, wie meine Chefin es tat, und sie deuteten auch an, dass sie vielleicht so einen unterernährten Hungerhaken an Bord nehmen würden. Ich dankte ihnen nach der Unterredung. Trotz regte es sich in mir: „Euch Landratten zeig ich die Zähne, ihr werdet jede Wette verlieren, wenn ihr meint, dass ich in 14 Tagen reumütig an Land zurückkehren werde. Ich nicht!“ Das war die Trotzreaktion eines pubertierenden Jungen, verursacht durch die egoistische Manipulation oder das „brainwashing“ einer Geschäftsfrau, die die persönlichen Berufswünsche eines 15jährigen nicht respektierten wollte. Aber noch ging ich zur Schule. Erst musste ich meinen Schulabschluss machen, und der war erst im Frühjahr 1951. Und selbstverständlich musste ich die väterliche Einwilligung bekommen, denn das war die Voraussetzung, um überhaupt ein Seefahrtsbuch zu erhalten. Der Häuptling wird schon nachgeben, dessen war ich mir sicher. Denn, ersten hatte er in diesem Fall zunächst einen Esser weniger am Tisch. Weiterhin konnten wir uns von dem Arbeitslosengeld damals absolut keine großen Sprünge leisten. Und zweitens konnte er ja testen, wie lange der Bengel es in der so genannten „Christlichen Seefahrt“ aushält. Und hier beginnt der eigentliche Einstieg in meine schwimmende Biographie oder sagen wir ‚Episoden aus meinem maritimen Leben’ mit der Überschrift: „Mien Dschung, nu kook mol Aarvnsupp.“