Читать книгу Berliner Leichenschau. Kleines Einmaleins des Mordens онлайн
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Oft konnte man in seinem Fach durch simple Erfahrungsregeln bei richtiger Anwendung wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Die hochtechnisierte Glitzerwelt der forensischen Laboratorien in amerikanischen TV-Krimiserien war zwar hübsch anzusehen, hatte aber mit der Realität wenig gemein.
Die Hutkrempenregel besagte, dass beim Sturz zu ebener Erde entstehende Kopfverletzungen nicht oberhalb der gedachten Hutkrempenlinie lagen. Der Sachverhalt war aber nicht so einfach, wie sich die Regel anhörte. Die war sogar in einigen Lehrbüchern falsch dargestellt. Und was er in Staatsexamensprüfungen alles zu hören bekam! So lautete eine häufige Fehlinterpretation: »Schlagverletzungen liegen oberhalb, Sturzverletzungen unterhalb der Hutkrempenlinie.« Oft vergaßen die Prüflinge, dass die Regel nur für den Sturz zu ebener Erde anwendbar war – denn beim Fahrradsturz, Treppensturz oder Sturz aus der Höhe konnten die Verletzungen auch auf der Scheitelhöhe liegen. Wenn er die Studierenden fragte, ob die Verletzungen unterhalb der gedachten Linie immer Sturzverletzungen seien, sah er sich häufig ratlosen Gesichtern gegenüber und musste ärgerlich einwerfen: »Haben Sie noch nie von einem Veilchen oder einer Backpfeife gehört … oder einer gebrochenen Nase beim Boxkampf?«