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Nachdem die beiden Reisenden auch noch hausgemachte Tagliatelle mit Steinpilzen und Rosmarin verkostet hatten, war trotz der Hitze ein Verdauungsspaziergang nötig. Sie schlenderten durch die Gassen zum Dom, in Erwartung, daß dieser wie alle Kirchen in Italien nachmittags geschlossen ist. Zu ihrer Überraschung war aber das Portal offen. Sie traten ein in den kühlen, menschenleeren Raum und verharrten, um ihn auf sich wirken zu lassen. In diesem Augenblick hub oben auf der Empore ein Frauenchor an, Madrigale zu singen. Die klaren Stimmen erfüllten den Dom, schienen hin und her zu schweben, echoten entlang der Wände und verklangen irgendwo in der Apsis. Die beiden Männer setzten sich auf eine Bank und lauschten. Es wurde ihnen klar, was damals, zur Zeit der Errichtung dieses Baus, der Begriff „Gottesdienst“ bedeutet haben konnte.

Als die Chorprobe unterbrochen wurde, verließen die beiden Freunde die Kirche. Wie um sie zu verabschieden, erklangen in diesem Augenblick die mächtigen Glocken des Campanile. Wieder verharrten sie, bis diese verklungen waren. Dann machten sie sich auf in die Kapelle des heiligen Michael, wo die berühmten Mumien von Venzone ausgestellt sind, zumindest ein Teil davon. Es sollen über dreißig erhalten sein. Gut ein halbes Dutzend von ihnen kann besichtigt werden. Schwarze, unheimliche knochige Leiber scheinen einen aus den tiefen Augenhöhlen anzustarren. Sie erinnern an Ötzi, auch wenn sie nicht ganz so alt sind wie dieser. Es sind vermutlich fromme Kirchenmänner, die im Mittelalter in der Krypta des Doms beigesetzt worden sind und dank der speziellen klimatischen Bedingungen sich als perfekte Mumien erhalten haben. Sie sind ein Memento mori, vor dem einer, der gerade zuviel gegessen und getrunken hat – und womöglich, wie der Poet, auch noch raucht –, nicht allzu lange verweilt, sondern sich wieder ins Sonnenlicht begibt.

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