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Für einen kleinen Pimpf, dessen Vater an der Front vermisst wurde, war sein Umfeld ein unglaubliches Chaos und ein Schock zugleich. Zuhause in Cuxhaven in der Gorch-Fock-Straße 12 war die Dreizimmerwohnung überfüllt mit den bei uns untergeschlüpften Verwandten, die die Flucht aus Westpreußen und Schlesien zwar heil an Armen und Beinen, aber im Kopf heillos durcheinander überstanden hatten.

Meine Heimatstadt Cuxhaven an der Elbe war von 1939 bis 1970 meine Welt.


Hier habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht. Hier setzte ich 1951 das erste Mal meine Füße an Deck des Fischkutters HF 410 „DOGGERBANK“. Lang ist’s her

Die Mutter war mit dieser Situation total überfordert und wurde plötzlich religiös. In ihrer Verzweiflung suchte sie Beistand in einem christlichen Frauenkreis, den der damalige Ex-Marineoberpfarrer Arno Pötzsch für die hinterbliebenen Frauen von gefallenen Marine- und sonstigen Militärangehörigen gegründet hatte. Zu diesem Frauenkreis stieß eines Tages auch eine adelige Flüchtlingsfrau aus Barzdorf bei Waldenburg in Schlesien: Freifrau Ilse von Reibnitz, Tochter eines wohlhabenden Rittergutsbesitzers und die Schwester des bekannten Jagdfliegers des 1. Weltkrieges, Freiherrn Manfred von Richthofen. Diese Dame war 1945 zusammen mit ihrer Zofe in Cuxhaven in der Amerikastrasse gestrandet. Beide Damen besaßen nichts außer einem kleinen Böllerwagen, der mit einem Koffer und ein paar Kartons persönlicher Effekten beladen war. Sie hatten das Glück, bei einer Cuxhavener Lotsenfamilie unterzuschlüpfen. Diese Freifrau hatte natürlich alles, was sie früher in Schlesien besessen hatten, verloren. Aber das Leben ging weiter. Natürlich mit Krampf. Die täglich neue Herausforderung: „Was kommt heute auf den Tisch?“, konnten nur die gewinnen, die stark waren. Meine Mutter war leider nicht stark.

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