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Und nun, Monate später? So viel Blau der Moscheen, soviel Weiß der Mosaike und ja, auch die warmen Lehmziegeltöne der Brücken haben ihren großflächigen Anteil, als ich in den Straßen von Isfahan stehe. Ich bin wahrhaftig hier. Habe es geschafft, innerhalb von drei Monaten, nicht Jahren, hierher zu gelangen. Mein Traum ist wahr geworden. Auch wenn keine beschauliche Karawanenstätte das erste ist, woran sich mein Blick heftet. Sondern das Vielstraßengeflecht einer lauten, schnellen, pulsierenden, 1,8 Millionen Einwohner zählenden Großstadt. Isfahan Ost und Nord und Süd und West. Isfahan Südost, Nordwest und so weiter sind jeweils nur Teile der Stadt. In ihrer Ausdehnung fast wie eigene Städte wirkend. Wieder einmal sind wir verabredet und wieder einmal wissen wir nicht, wo und mit wem. Die Wegbeschreibung klang am Telefon einfach. Doch das Suchen und Nichtfinden mit unserem Leo gleicht der Fahrt auf einer Achterbahn. Überall blinkt und leuchtet es, überall sind Entscheidungen zum Abbiegen oder lieber doch nicht, in Millisekunden zu fällen, werden Richtungen nur in Farsi geschrieben – und am Ende haben wir so wieder einmal keine Chance. Die rasenden Perser machen uns mit ihrer sprunghaften Fahrweise halb verrückt. Von einem Schreckmoment fallen wir in die nächste Beinah-Ohnmacht. Uns bleibt nur eins, so meinen wir, und entschließen uns zur Opossum-Taktik. Einfach nicht mehr bewegen und abwarten, was passiert. Außer dem Klicken der Warnblinkanlage im Rhythmus unserer gestressten Herzen geschieht nach unserem Stopp am Straßenrand erst mal nichts. Also, in den nächsten Laden gehen, einem Mann darin wortlos, da sprachlos, das Telefon ans Ohr drücken und darauf hoffen, dass die Stimme am anderen Ende danach fragt, wo genau sich der Ort befindet, an welchem jenem Mann das Telefon ans Ohr gepresst wird. Weiter darauf zu vertrauen, dass irgendwann irgendwer diesen Wegweisungen und Ortsbestimmungen einen Punkt zuordnen kann und man uns dort findet. Der eine Teil in uns besteht aus Hoffnung, der andere aus Vertrauen. Und Geduld. Die sitzt vorn im Fahrerhaus und hält ihre beiden Kumpane bei Laune. So routiniert macht sie das inzwischen. Wir merken kaum etwas davon und harren einfach der Personen, die da vielleicht irgendwann kommen. Kein Aktionismus treibt uns mehr, eine sinnfreie Handlung zu vollführen, weil man ja was tun müsse. Kein „Wie lange dauert das denn?“ zischt durch unsere Leo-Kabine. Spaß haben wir am Beobachten der nächtlichen Straßenszenen. Ein Arzt scheint seinen Job in einem der nahen Häuser zu verrichten. Wahrscheinlich ist die Nachtpraxis sein Tagesgeschäft. Und so halten in verlässlichem Rhythmus und Abstand Autos vor ebendiesem Haus. Besorgte Mütter steigen aus. Männer, das kranke Kind auf dem Arm tragend. Die Sorge ist selbst unter dem schwarzen Tschador zu sehen, so sehr überträgt sie sich auf Haltung und Gang der Mütter. Zurück kommen sie eiligen Schritts, in einer anderen Tür verschwindend, wahrscheinlich der Apotheke. Hell erleuchtet ist das hier alles nicht gerade. Alle sind es gewöhnt. So fahren manche Autos gleich ganz ohne Licht vor. Männer springen nur kurz aus dem Wagen, um mit der Medizin im Beutelchen sogleich zu verschwinden. Wie vertraut einem ein Ort wird, wenn man mal mehr als eine Eiskugellänge an ihm verweilt. Den Polizisten der Straße kennen wir nun schon. Der versucht, das absolute Halteverbot durchzusetzen. Nur leider hat er mit uns einen so gewaltig Verstoßenden, dass ihm bei all den Kleinwagen die Argumente ausgehen. Wohin er uns schicken soll, weiß er auch nicht. Also gibt er nicht auf, aber nach. Busse unternehmen den Versuch, vor Leo in eine Haltestelle einzubiegen. Ein vergebliches Unterfangen. Leo ist zu groß und die Busse zu ungelenk. Da bleibt den Leuten nichts übrig, als im rasenden Verkehr das Weite zu suchen. Das alles in der Nacht und das alles im gleichförmigen Klick-Takt der Warnblinkanlage. Alles und alle scheinen der unausgesprochenen Anweisung zu folgen: Nach jedem Klicken der Warnblinkanlage bitte eine Bewegung vollführen.

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