Читать книгу Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag. Nili Masal ermittelt (6) - Roman онлайн
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Es ist schon nach Mitternacht, als Nili und Waldi sich von den Gastgebern verabschieden und in das Taxi steigen, das sie zu Waldis Wohnung in der Niebuhrstraße im ehemaligen Kieler Marineviertel Ravensberg bringt. Eng aneinandergeschmiegt sitzen sie im Wagenfond und lassen noch einmal die Erlebnisse des Abends Revue passieren. Dann allmählich geht die Konversation in ein stummes Wohlbehagen über, sie legt ihren Kopf an seine Schulter. Während der Weiterfahrt schwelgt jeder von ihnen in seinen eigenen Gedanken. Waldi sinniert, welch Glück er hat, diese geliebte und bewundernswerte junge Frau als Kollegin, aber noch viel mehr als seine Lebensgefährtin an seiner Seite zu wissen, er muss aber auch daran denken, was für ein vertracktes Schicksal hinter ihrem Lebenslauf steckt.
Nili Masal wurde in einem israelischen Kibutz am Fuße der Golanhöhen sehr nah an der damaligen Grenze zu Syrien geboren. Ihr jüdischer Vater Rubén Glickmann stammte aus Polen und fand, ebenso wie ihre in Schleswig-Holstein geborene Mutter Elisabeth Keller, von allen Lissy genannt, samt Kindern Asyl vor der Naziverfolgung in Bolivien. Rubén machte in La Paz seine Lehre und arbeitete anschließend in der Bäckerei von Lissys Vater Heiko Keller. Kaum war Israel 1948 zum jüdischen Staat im eigens dafür geteilten Palästina ausgerufen worden, überfielen es feindlich gesinnte Araber, sowohl jene im eigenen Territorium als auch die aus den umliegenden Nachbarländern. Weil wohl die Vernichtung Israels durch die gewaltige Überzahl sowie die übermächtige militärische Ausrüstung der Angreifer drohte, wanderte Rubén ebenso wie Tausende jüdische Männer und Frauen aus aller Herren Länder herbei, um ihr zurückerworbenes Heimatland zu verteidigen. Nach dem Ersten Weltkrieg, der nach blutigen und verzweifelten Kämpfen mit einem Waffenstillstandsabkommen endete, trat Rubén in den Kibutz Halonim ein. Dort nahm er, wie viele andere auch, einen sinngemäß übersetzten hebräischen Nachnamen an: aus dem jiddischen Glickmann wurde Masal, was gleichwohl ›Glück‹ bedeutet.