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Jeden Tag nach der Schule fuhr Tilla in die Psychiatrie und hoffte auf Besserung. Nach einem Jahr, in dem sich am Zustand der Gräfin nichts geändert hatte, ging Tilla zu einem Anwalt und fragte, wie sie ihren vermißten Vater für tot erklären könnte. Sie bekam Halbwaisenrente, machte Abitur und begann ein Biologiestudium. Im Sommer nach dem Vordiplom sah sie ihrer Mutter zum letzten Mal dabei zu, wie sie im Aufenthaltsraum sinnlose Gedichtzeilen auf Papierfetzen kritzelte. Am folgenden Morgen zwängte sich Gräfin von Bredow aus einer Dachluke und sprang der aufgehenden Sonne entgegen in den Tod.

Mathilde Albertine Jolante von Bredow, genannt Tilla, verlor ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Heimat, als sie vierzehn war. Und sie schwor sich, zu überleben.

Jakob sah dem Professor zu, wie er versuchte, sich mit dem Programm seines PCs auf eine Sprache zu einigen. Seine Stirn war konzentriert gefaltet, der Mund stand leicht offen.

Tillas früherer Kollege Professor Dr. Schmerkert war in Weiß gekleidet, als wäre er einer von Hannas Krankenhauskollegen. Ein Labormensch, sogar mit weißen Schuhen. Ohne Laborratten allerdings. Kein Getier weit und breit, keine Pflanzen. Jakob erinnerte sich an das gemütliche Bürostübchen des Biologen Werner im Botanischen Museum. Seine Sorgenpüppchen und die Webdecke aus Guatemala auf seinem Stuhl. Bei Professor Schmerkert würde Jakob nie auf die Idee kommen, seine Schuhe abzustreifen. Wie hatte die wilde ostpreußische Tilla hierher gepaßt? Weißer Kunststoff überall, sirrende Festplattenventilatoren, aseptisches Licht aus Neonröhren und Kabelgebirge unter den Tischen.

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