Главная » Einschlägig bekannt читать онлайн | страница 7

Читать книгу Einschlägig bekannt онлайн

7 страница из 15

Als Paturel und Marty endlich abschwirren, lässt Ivan Djindjic, der Fahrer, ein Schrank von einem Mann, schwarzes Haar, geschwungene dichte schwarze Brauen, rote Lippen und blasser Teint, die Kupplung kommen, rollt im Schritttempo, die Augen unverwandt nach vorn gerichtet, kein Blick zu der Gruppe der Mädchen, die ihm in kaum verständlichem Französisch lachend zurufen: »Hey, du Hübscher, fahr doch nicht gleich wieder weg, Kleiner«, nimmt die Auffahrt, gleitet auf die Parkebene im ersten Stock. Ein junger Schwarzer, hochgewachsen und schmal, das weite weiße Hemd aufgeknöpft über der sehnigen Brust, Walkman am Gürtel seiner Jeans, Kopfhörer auf den Ohren, kommt aus dem Treppenhaus getanzt. Die Bewegung entspringt im Becken, greift über auf Oberkörper, Arme, Beine, jäh scheint Balou nicht mehr eins, die Glieder verselbständigen sich, erstarren dann, ein Moment in der Schwebe, die Bewegung setzt wieder ein und der Körper wird wieder ganz. Die Reinheit der Bewegungen fasziniert Ivan umso mehr, als keinerlei Musik sie trägt oder stört. Auf diesem riesigen Betonareal besteht die Geräuschkulisse nur aus dem leerlaufenden Motor und dem statischen Rauschen im Wageninnern, von dem er nichts mehr mitbekommt, weil er nicht darauf achtet. Wie jede Nacht in diesem Parkhaus kommt Balou ihm entgegen. Tanzend, um sich selbst und andere davon abzulenken, dass er hinkt. Balou. Rückblende: ein Bild, so deutlich wie ein immer wiederkehrender Traum, die erste Begegnung, sieben Jahre schon her. Ein vom Regen durchnässter, vor Kälte zitternder schwarzer Jugendlicher in einem zu großen Paris-Saint-Germain-Trikot klammerte sich an den Gitterzaun des Fußballplatzes vom Sporting Club de Sainteny und sah der Mannschaft der Sechzehnjährigen, zu der Ivan gehörte, beim Training zu. Fast zwei Stunden hielt er das Gitter umklammert, reglos, stumm. Sein verstörter Blick heftete sich immer häufiger auf Ivan und ließ ihn schließlich nicht mehr los, bis dieser, immer mehr Bälle verstolpernd, vor Wut aufheulte und von den Trainern in die Kabine geschickt wurde. Als er kein Stück ruhiger wieder herauskam, stand der Junge unverändert an seinen Zaun geklammert. Ivan machte einen Umweg, um bei ihm vorbeizukommen und ihm eine reinzuhauen. »Wir mögen PSG hier nicht.« Der Junge ließ abrupt los, fiel mit dem Hintern in den Matsch, das Gesicht grau vor Kälte, zähneklappernd, von Schluchzern geschüttelt, ohne eine Träne. Der ratlose Ivan schleppte ihn in die Clubkabinen, duschte ihn, zog ihm trockene alte Sachen an. Sie flüchteten sich in einen Verschlag, zwischen Bälle und bunte Plastikhütchen, und rauchten zusammen eine. Dann fing der Junge an zu erzählen, mit klarer, leiser Stimme, sachlich, wie einer, der die Hölle hinter sich hat. Er war in Bamako auf der Straße von einem Fußballscout gekauft worden, der auf den Aschenplätzen der Stadt sein Talent erkannt hatte. Seine Familie hatte ihn gern verkauft, und er war freudig fortgegangen. Er war bei einem portugiesischen Verein gelandet, wo sich alles gut angelassen hatte. Man bewunderte seine Ballbeherrschung, sagte ihm eine große Zukunft voraus. Aber dann – zu viele Trainingseinheiten für einen heranwachsenden Körper, ein besonders böses Tackling, und da war sie, die schwere Verletzung, Knöchelbruch mit Bänderabriss, eine böse Sache und nicht richtig behandelt. Er würde ein, zwei Jahre lang nicht spielen können, vielleicht nie mehr, und es bestand sogar die Gefahr, dass er für immer hinken würde. Zunächst Verzweiflung. Zurück nach Bamako, von welchem Geld denn? Als Invalide, die Blicke seiner Familie … Und dann das Wunder. Kaum fing er wieder an zu gehen, da teilte ihm der Trainer des portugiesischen Vereins mit, dass PSG, der große Pariser Club, Ablöse für ihn zahlen und einen Ausbildungsvertrag mit ihm unterzeichnen wolle. In Bamako war PSG ein großes Thema gewesen, der Club der Brasilianer, Ricardo, Ronaldinho … In Paris würde er medizinisch gut betreut werden, könnte in Ruhe genesen und eines Tages vielleicht in der ersten Mannschaft spielen. Tags darauf fuhr ihn der Trainer an die Grenze nach Frankreich und setzte ihn an einem Bahnhof ab, mit einem einfachen Fahrschein nach Paris und einem PSG-T rikot, das er beim Aussteigen überziehen sollte, damit der Vereinsfunktionär, der am Bahnhof auf ihn warten würde, ihn erkennen könnte. Doch am Bahnhof wartete niemand auf ihn. Er war bis zum Parc des Princes-Stadion gelaufen, dessen Namen er in Bamako aufgeschnappt hatte. Eines Tages auf dem Rasen des Parc des Princes spielen, ein großer Traum. Die Stadionwächter hatten über seine Geschichte gelacht. Da lief er einfach drauflos, bis nach Sainteny, auf der Suche nach Notunterkünften für Malier, die er nicht fand. Klammerte sich an den Gitterzaun des Sporting Club, denn der gehörte noch zur Welt des Fußballs, genau da, wo Ivan ihn dann auflas. Er war vierzehn Jahre alt.

Правообладателям