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Im Winter bekam Großvater eine Lungenentzündung und wurde in ein Krankenhaus der Alliierten gebracht. Er protestierte und wollte sich unter keinen Umständen in die Hände des Feindes begeben. Großmutter setzte sich durch und rettete ihm damit das Leben. Ein oder zwei Tage später wäre er höchstwahrscheinlich gestorben, wie ihm der britische Arzt mitteilte. Großvater bezweifelte das und erzählte dem Engländer etwas von deutschen Eichen und Kruppstahl. Großmutter las ihm die Leviten. Der Aufenthaltbeim Feind kostete Großvater den Job und Großmutter musste Vorwürfe und Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Schließlich bekam Großvater eine Anstellung als Anstreicher, die er aufgrund einer Farballergie umgehend wieder aufgeben musste. Großmutter nahm die Stelle in einer Textilfabrik an und nun wartete Großvater in den Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften. Beim Kartoffelschälen schnitt Großvater sich in den Daumen und weil er es nicht behandeln lassen wollte, entzündete sich die Wunde. Wieder musste Großmutter dafür sorgen, dass er sich erneut in die Hände des Feindes begab. Kurz darauf blieb Großmutters Periode aus und Großvater ging Untertage. Die Zechen brauchten Arbeiter. Er hatte Erfahrung mit der Spitzhacke und seine Lunge war Staub gewöhnt. Eine Woche vor der Geburt seines Sohnes brach ein herunterstürzender Stützbalken Großvaters linken Oberarmknochen als sei er ein Streichholz. Seiner Funktion beraubt sorgte der Stützbalken dafür, dass der Schacht einstürzte und drei Männer inklusive Großvater in dem Stollen festsaßen. In den folgenden zwei Tagen war der notdürftig geschiente Arm Großvaters geringste Sorge. Durst, Hitze, Dunkelheit, schwindender Sauerstoff und Panik relativierten die Schmerzen auf ein zu ertragendes Maß. Hätten sie sich zum Zeitpunkt des Einsturzes in einem tieferliegenden Stollen befunden, hätte Großvater wahrscheinlich niemals die Frucht seiner Lenden erblickt. So drückte der Fluch nochmal ein Auge zu. Großvater biss gerade auf den Panzer irgendeines Käfers und war in Gedanken bei seiner hochschwangeren Frau, die irgendwo da oben, wahnsinnig vor Sorge auf die Wehen wartete, als er ein Geräusch hörte. Seine beiden Leidensgenossen versuchten Feuchtigkeit von den Wänden zu lecken und hielten inne, als auch sie die Geräusche jenseits des Geröllwalls, den sie in den letzten Tagen vergebens versucht hatten aus dem Weg zu räumen, hörten. Kurz darauf, es kam den Männern wie eine Ewigkeit vor, drang der Lichtstrahl einer Grubenlampe durch einen Spalt. Großvater dankte Gott. Immer und immer wieder. Als der Lichtstrahl ihn erfasste und blendete, wimmerte er wie ein in der Dunkelheit verängstigtes Kind.

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