Читать книгу Im Januar trug Natasha Rot. Roman. Nili Masal ermittelt (2) онлайн
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Etwa eine halbe Stunde später verlässt auch der schwarze Ford Transit das Lagerhaus. Auf der B 76 fährt er über Eckernförde nach Rendsburg und dann auf der A 7 weiter nach Flensburg.
Alina, Olga, Jana und Jelena sitzen eng gedrängt nebeneinander auf einer Viererbank auf der Ladefläche des Transporters und sind mit Handschellen aneinandergefesselt. Alle sind auffallend hübsch und haben wohlgeformte Körper. Alina ist noch nicht ganz sechzehn, Jana und Olga sind es bereits. Jelena ist mit siebzehn die Älteste. Arglistige Schlepper haben sie mit dem Versprechen auf gut bezahlte Arbeitsplätze in deutschen Hotels und Restaurants aus ihren armseligen Dörfern in der Ostukraine gelockt. Eine fesch aussehende Frau hat sie dann in einer schmucken Limousine bei ihren Familien abgeholt und ihnen sogar einige Tausend Hrywja in die Hand gedrückt, um, wie sie vorgab, deren Abschiedsschmerz etwas zu mildern. Den Text der „Quittung“, die man ihnen hierfür zur Unterschrift vorlegte, haben sie nicht verstanden oder konnten ihn sowieso nicht lesen. Darin hatten die Eltern ihren minderjährigen Töchtern unwissentlich die Zustimmung für deren Ausübung von „Haushaltsdiensten jeglicher Art“ im Ausland erteilt. Die naiven Mädchen wurden, nichts Böses ahnend, aus ihren Heimatorten über viele Hundert Kilometer zunächst nach Vilnius gebracht, wo sie zum ersten Mal aufeinandertrafen. Dort wohnten sie in einem alten, aber geräumigen und nett möblierten Haus. In einem Frisörsalon verpasste man ihnen modische Haarschnitte und in dessen Kosmetikabteilung brachte man ihnen zudem bei, sich vorteilig zu schminken und attraktiv zurechtzumachen. Während ihres vierzehntätigen Aufenthaltes bekamen sie nicht nur einige modische Dessous und Kleider geschenkt, sondern absolvierten tagtäglich vier anstrengende Stunden deutschen Sprachunterricht. Am Ende der Ausbildung fuhr die bislang immer noch fröhliche Gruppe zusammen mit ihrer Ausbilderin Natalja nach Klaipéda, wo sie in einem Hotel übernachteten. Man bat sie um ihre Reisepässe, denn man wolle für sie im Deutschen Konsulat Visum und Arbeitserlaubnis einholen. Die Pässe haben sie bisher nicht zurückbekommen. In deren Getränken verabreichte man ihnen beim Abendessen eine größere Dosis K. O.-Tropfen. Groß waren der Horror und ihre Verzweiflung, als sie einige Stunden später aufwachten und sich in dem hölzernen Käfig wiederfanden. Während sie hilflos gewesen waren, hatte man ihnen dickere Trainingsanzüge und Mützen angezogen und sie dann in Wolldecken eingehüllt. Nur alle zwei Stunden leuchtete von oben eine schwache Birne für etwa fünf Minuten auf sie herab. In einem Regal erspähten sie dann ein paar Plastikflaschen mit Mineralwasser und einige in Folientüten gehüllte belegte Brote. In der Ecke befand sich eine Chemietoilette für die Notdurft, darüber surrte leise ein Klimagerät. Dann war wieder totale Finsternis. Die zwanzigstündige Reise über die aufgewühlte Ostsee war Jana und Olga nicht gut bekommen, sie hatten sich mehrmals übergeben. Alle leiden auch jetzt noch unter üblen Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen – die Nachwirkungen der Bewusstsein beraubenden Substanz.