Читать книгу Bangkok Oneway онлайн
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»Es fand also nicht einmal irgendeine Zeremonie statt? Und die Familie konnte auch nicht nach Bangkok kommen?«
Elmar schüttelte bedauernd den Kopf. Dagmar schwieg bestürzt. Wieder malte sie sich die Situation dieser armen Familie irgendwo in der thailändischen Provinz aus.
»Und was ist mit dem Motorrad passiert?«
Elmar deutete aus dem Fenster.
»Das hat uns die Polizei hier auf den Hof gestellt. Es sieht gar nicht einmal so übel aus. Die Plastikverkleidung ist gebrochen. Der Blinker und der Spiegel fehlen, aber sonst ... Wahrscheinlich springt die Mühle sogar sofort an.«
»Bekommt dann die Familie wenigstens das Moped?«, fragte Dagmar.
»Wenn sie es abholt. Wir können so etwas nicht leisten. Für solche Dinge reichen unsere Mittel und unsere Kapazitäten nicht aus. Wir versuchen, Menschenleben zu retten, alles andere sprengt einfach unsere Möglichkeiten.«
Dagmar war erschüttert.
»Ich hätte nie gedacht, dass die Menschen in diesem Land so gleichgültig miteinander umgehen!«
»Nein, so dürfen Sie das nicht sehen«, widersprach Elmar vehement. »Dieses Land hat sich erst vor wenigen Jahren von einem Entwicklungsland zu einem modernen Staat mit internationalem Niveau gemausert. Das geht in solch kurzer Zeit nicht ohne Defizite. Früher gab es eine kleine superreiche Oberschicht und eine riesige Masse an gleichmäßig armen Menschen. Heute haben wir eine große und wirtschaftlich bedeutende Mittelschicht, wenige Superreiche und kaum noch Menschen, die so arm sind, dass ihnen die Grundlagen für ein normales Leben fehlen. Das wird natürlich mit einem gewissen Maß an Egoismus und Rücksichtslosigkeit bezahlt, jedoch keineswegs schlimmer, als wir es in unserer eigenen Heimat haben. Durch die teilweise noch lückenhafte Infrastruktur fällt das nur leider stärker ins Gewicht als bei uns. Nehmen wir mal als Beispiel den Motorradunfall von Herrn Bamrung Artmak. Das thailändische Rechtssystem hinkt entwicklungsmäßig noch viele Jahre europäischem Recht hinterher. Hier herrschen noch viel stärker überbrachte Vorstellungen von Schicksalseinflüssen. Ob an diesem Unfall nun der geflüchtete Autofahrer oder Herr Bamrung Schuld hatte, ist gar nicht entscheidend. Wahrscheinlich hätte der Autofahrer aufgrund seiner mutmaßlich besseren wirtschaftlichen Situation die alleinige Schuld zugesprochen bekommen. Da Motorradunfälle häufig tödlich enden, würde dem Unfallgegner vermutlich eine sehr hohe Geldstrafe auferlegt werden, möglicherweise sogar zusätzlich eine Haftstrafe. Diese Strafe würde nicht deshalb verhängt, weil er gegen irgendwelche Regeln der Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte, sondern alleine deswegen, weil er durch seine Anwesenheit am Unfallort mitursächlich für den Tod des Unfallopfers war. Das ist für unser Rechtsempfinden absurd, aber hier in Thailand denkt man nun mal so. So ist es doch klar, dass sich nach einem Unfall jeder Beteiligte so schnell wie möglich aus dem Staub macht. Kein Mensch kümmert sich um die Versorgung der Opfer – es könnte ja dazu führen, dass man in die Schuldfrage hineingezogen würde!«