Читать книгу Tatort Ostsee. Sammelband Ostsee-Krimis онлайн
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»Unabhängigkeit!«, murmelte Olli vor sich hin. Wenn er etwas nicht war, dann unabhängig. Er machte sich doch nur was vor. Irgendwann würde auch dieser Sommer zu Ende sein und dann musste er wieder auf dem Hof seiner Eltern leben, in seinem alten Kinderzimmer. Er würde sich wie jeden Winter um die Kühe kümmern. Seine Eltern hofften noch immer, dass er eines Tages den Hof übernehmen würde. Er hatte ihnen oft gesagt, dass er sich ein anderes Leben vorstellte. Das Problem war nur, dass er nicht wirklich wusste, was er eigentlich wollte. Er hatte es mit einem Studium versucht und sich für ein Wintersemester BWL eingeschrieben, doch das Studieren war auch nicht sein Ding. Seine Eltern versüßten sein Leben mit großzügigen Schecks und vor zwei Jahren hatten sie ihn an seinem Geburtstag mit dem Wohnmobil überrascht. Sie ließen ihm wirklich seine Freiheit. Er genoss es, ohne Druck die Sommermonate genießen zu können und auf einem Parkplatz am Strand zu leben. Mittlerweile fragte er sich aber selbst, wie seine Zukunft aussehen würde. Das Leben war schließlich kein ewiges Ferienlager. Durch Sarah war ihm klar geworden, dass er nicht für immer ein Surfboy bleiben konnte. Er hatte das erste Mal daran gedacht, dass ein erwachsenes Leben zu zweit, zu dem auch ein solider Job gehörte, vielleicht doch nicht so spießig sein musste, wie er immer befürchtet hatte. Er hatte ernsthaft überlegt ein Surferhotel zu eröffnen und Verantwortung zu übernehmen. Sarah! Nach so vielen Jahren hatte er sich tatsächlich wieder verliebt. Vorher hatte es mit keiner anderen wirklich gefunkt. Am Anfang hatte er sich fast schuldig gefühlt, so, als hätte er seine wahre Liebe verraten. Aber er war damals erst 15 gewesen. Kein Mensch würde erwarten, dass er für alle Ewigkeit allein blieb. Und seine Kleine hätte das am wenigsten gewollt. Trotzdem war er eines Nachts ans Wasser gegangen und hatte sie gebeten, ihm zu verzeihen. Er wollte frei sein für Sarah. Und nun war Sarah tot. Alles war umsonst gewesen. Er war wieder allein und stand vor demselben Problem. Wenn er nur sein Leben so aufräumen könnte wie sein Wohnmobil! Er sollte endlich damit anfangen. Er hatte sich damals geschworen, die Insel nie zu verlassen. Sie sollte immer wissen, wo er war. Aber nun? Er musste endlich aufhören, sich an Erinnerungen zu klammern. Warum konnte er nicht sein wie Ben? Einfach mal abhauen! Der schien nie zu zweifeln. Ben handelte einfach und fürchtete nie die Konsequenzen. Er wurde anscheinend mit allem fertig. Olli ärgerte sich über seine eigene Feigheit. Wenn er doch nur den Mut aufbringen könnte, endlich mal etwas zu ändern. Es würden noch andere Frauen in sein Leben treten und dann würde er alles richtig machen. Seine große Liebe würde nie zurückkehren, das war ihm nach 15 Jahren klar. Es würde kein Wunder geben. Er musste aufhören, sich schuldig zu fühlen. Er musste aufhören, eine Tote zu lieben.