Читать книгу Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag. Nili Masal ermittelt (6) - Roman онлайн
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»Mille grazie, carissima Laura!«, ruft Waldi ihr hinterher. »Massimos Tochter«, erläutert er. »Dieses Primuruggiu ist ein wahres Juwel unter den nativen Olivenölen aus Ligurien. Ich lernte es vor fünf Jahren kennen und schätzen, als Massimo mir anbot, in seinem kleinen Häuschen Urlaub zu machen. Es liegt in dem malerischen Bergdorf Canneto Soprano inmitten von Olivenbäumen an einem Südhang oberhalb von Imperia. Das Dorf zählt vielleicht gerade mal zwanzig Häuser, von denen etwa die Hälfte noch von einheimischen Olivenbauern bewohnt ist. Die restlichen Häuser gehören heute Deutschen, Schweizern und Franzosen, die dort nur gelegentlich einige Urlaubswochen verbringen. Ich lernte im Ort sehr liebe Nachbarn kennen, denn dank meiner dafür gerade noch ausreichenden italienischen Sprachkenntnisse gelang es mir, rasch mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Besonders freundete ich mich mit dem Olivenbauernehepaar Maria und Angioletto an. Eines Tages nahm mich Angioletto mit in das Nachbardorf Dolcedo zum sogenannten Frantoio – das ist eine Ölmühle. Dorthin brachte er seine am Vortag so mühsam an den terrassenförmigen und sehr steilen Hängen von Hand geernteten kleinen Taggiasca-Oliven zur Pressung. Es war früh im Februar und die in diesem Monat geernteten Früchte sind bei der Familie Banzini – ein Schwager unseres Massimo – ziemlich begehrt, weil Lauras Onkel Alberto daraus diesen besonderen ›Nektar der Götter‹ – wie er ihn bezeichnet – herstellt. Zu Saisonbeginn und wenn sofort verarbeitet, haben nämlich Oliven einen markant hohen Anteil an ungesättigten Ölsäuren, was sie, von Diätetikern empfohlen und von Kennern besonders begehrt, sehr wertvoll und teuer macht. Diese Taggiasca-Oliven – nach der kleinen Ortschaft Taggia in der Nähe von San Remo benannt –, die nur an den Hängen der ligurischen Täler gedeihen, sind zwar klein, haben aber einen sehr aromatischen und charakteristischen Geschmack, wie ihr hier selbst feststellen könnt.« Waldi pickt demonstrativ ein paar Oliven mit einem ZahnstocTitleher und probiert sie. Nachdem er die abgenagten Kerne auf dem kleineren Teller abgelegt hat, führt er fort: »Stimmt doch, oder? Also, obwohl heute die Oliven nach dem Aussortierern und Waschen üblicherweise von modernen Trommel-Mahlwerken samt ihren Kernen zu Brei gemahlen werden, bedient sich Alberto für dieses spezielle Öl noch immer eines althergebrachten ›Mulino a pietra‹, des traditionellen Naturmühlensteins, der auf dem ebenfalls steinernen Mühlenbett langsam kreisend die Olivenkerne behutsam zerquetscht und zum Brei maischt. Die Maische wird anschließend in aus Naturfasern selbst geflochtene korbähnliche Biete überführt und diese in der handbetriebenen Holzpresse gestapelt. Nun wird der Pressstempel heruntergefahren und nur ganz leicht auf das Maischepaket gelegt, sodass das fast klare Öl aufgrund des Eigengewichts von selbst langsam aus den Körben herabtröpfelt und sich in der Abflussrinne der Presse ansammelt. Von dort wird es in den Vorratstank oberhalb der Flaschenfüllanlage gepumpt und sofort abgefüllt. Das ist der berühmte Primuruggiu, ein Ausdruck im ligurischen Dialekt, den man sinngemäß mit ›erstem Erguss‹ übersetzen kann: das pure, reine Öl, die Seele der Olive, wie mir Angioletto verklärt vermittelte.«