Читать книгу Der kalte Engel. Roman. Doku-Krimi aus dem Berlin der Nachkriegszeit онлайн
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Während also die Zuständigkeit der Polizei an den Sektorengrenzen endete, konnten die Gesetzesbrecher weiterhin in beiden Stadthälften agieren und sich darauf verlassen, dass sich die verfeindeten Polizeien auch noch Sand ins Getriebe streuten, zumindest aber die nötige Kooperation erschwerten oder verweigerten. Der Morgen kommentierte das so: Wenn sich früher ein schwerer Junge dem strafenden Arm entziehen wollte, musste er schon über den Ozean fliehen, und selbst dann war er nicht völlig in Sicherheit. Heute begibt er sich in den anderen Sektor, um das behagliche Gefühl des Geborgenseins auszukosten.
»Vater, musst du denn andauernd Überstunden machen?« Sein Sohn sah es gar nicht gern, wenn Steinbock noch spätabends durch die Trümmerlandschaft streifte, die sich zwischen Zoo und Knie erstreckte, um nach Männern zu suchen, die Buntmetalle klauten.
»Ich muss die Burschen haben, das bin ich mir selber schuldig.«
»Pass bloß auf.« Ortwin Steinbock war Journalist und wusste, dass es in der Stadt Menschen gab, die vor nichts zurückschreckten. Es war man gerade ein halbes Jahr her, dass man Werner Gladow und seine Bande nach einem Schusswechsel à la Al Capone im Ost-Berliner Bezirk Friedrichshain festgenommen hatte. Es galt als sicher, dass der Oberstaatsanwalt am Ende des Prozesses für Werner Gladow wegen zweifachen Mordes und einer Reihe anderer schwerer Straftaten die mehrfache Todesstrafe beantragen würde. Trotzdem – oder gerade deswegen – wurde Gladow in beiden Teilen Berlins zum heimlichen Helden. Es gab kaum Jungs in der Stadt, die nicht Gladow-Bande spielten.