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Hildegund hatte sich längst abgewöhnt, auf den Inhalt der Phrasen zu achten, die täglich nicht nur an ihre Ohren drangen, sondern auch auf ihren Stenoblock und anschließend in die Tasten gerieten. Nur gelegentlich machte sie auf eine besonders unpassende Formulierung aufmerksam oder korrigierte die schlimmsten Sprachschnitzer. Sie war inzwischen zur Sekretärin des stellvertretenden Chefs aufgestiegen, aber keiner von diesen neunmalklugen Fatzken ließ sich gerne von einer einfachen Tippse belehren. Stattdessen machten die Kerle sich auf schleimige Art an sie ran oder versuchten, ihr mehr oder weniger direkt an die Wäsche zu gehen. «Sexualproviant», hatte mal einer gesagt und damit all die schlechtbezahlten jungen Frauen im Haus gemeint, die in den Sekretariaten, in der Telefonzentrale und in der Technik arbeiteten.

Sexualproviant! Für so was war sich Hildegund zu schade. Ihr beinahe vergessener Verlobter, eine Kinderfreundschaft aus dem Nachbarhaus, war vom letzten Einsatz an der Oder nicht zurückgekehrt, ihr kurzzeitiges Verhältnis mit einem Kaffeeschieber bald gescheitert. Und schließlich hatte sie es nach zwei Versuchen auch aufgegeben, sich mit einem der Redakteure aus dem Funkhaus einzulassen. Politische Agitation störte sie im privaten Bereich. Zu allem Unglück hatte sich der erste Kandidat, bei der täglichen Arbeit ein besonders scharfer Genosse, unerwartet als westlicher Provokateur entpuppt, der seine Agentenausbildung in britischer Kriegsgefangenschaft verheimlicht hatte. Ihr hatte das einigen Ärger eingebracht. Der zweite, ein ausnehmend schöner Mann, um den alle Frauen sie beneideten, hatte sich im Endeffekt als einer von den vielen Homosexuellen im Hause erwiesen und wollte die Beziehung zu einer Frau als Tarnung nutzen.

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