Читать книгу Heißes Geld. Der 22. Kappe-Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1952) онлайн
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Anders als ihr armer Vater, der in den Weiten Russlands verschollen blieb, hatte sie den Krieg leidlich überstanden. Als 25-jährige Nachrichtenhelferin mit Fernschreibpraxis, mit guten Schreibmaschinenkenntnissen also, besaß sie keine schlechte Ausgangsposition für einen Neuanfang. Das bisschen Steno flog ihr beinahe zu. Die kränkelnde Mutter hatte den Nahrungsmangel und den kalten Winter ’47 nicht überstanden und ihr die schlicht eingerichtete Wohnung der einstigen Familie in der Palisadenstraße hinterlassen: Stube und Küche im Hinterhof, immerhin mit Innentoilette. Das war keine erstklassige Adresse, doch sehr viel mehr, als andere junge Frauen ihr Eigen nannten. Wohnraum war knapp in Ost und West. Von den Neubauten an der Stalinallee erwarteten bloß Aktivisten des Nationalen Aufbauwerks und sächsischsprechende Funktionäre eine Verbesserung. Hildegund stand der Sinn nicht nach freiwilligen Aufbaustunden, wenn sie abends todmüde nach Hause kam.
Dass ihr die Wohnung noch zu einem ganz anderen Vorteil gereichen würde, hätte sie nicht erwartet, als sie sich vor drei Jahren auf den Rat einer Bekannten hin beim Berliner Rundfunk bewarb. Dessen Generalintendanz befand sich im alten Goebbels-Ministerium am Kaiserhof, der jetzt Thälmannplatz hieß, die Personalabteilung saß nicht weit entfernt, in der Friedrichstraße. Dort empfing sie ein finster wirkender, dunkelhaariger Mann unbestimmten Alters, dessen durchdringender Blick sie irritierte. Erst als sie den Beruf des Vaters – der war Maurer – angab, wurde seine Miene wohlwollender und hellte sich bei ihrer Adresse endgültig auf. «Wir brauchen dringend junge Arbeiterkader aus dem Osten», äußerte er mit dem rollenden R des Sudetendeutschen, und damit war sie eingestellt.