Читать книгу Kaltfront. Psychothriller онлайн
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Die Schnittwunden auf meiner Stirn verheilten rasch. Bereits nach drei Tagen wurden die Fäden gezogen. Endlich war ich den Verband los, der mir bis über die Nasenwurzel und die Augen gereicht hatte. Doch nun stellte sich heraus, dass ich unter Sehstörungen litt. Ich sah alles verschwommen und leicht verzerrt, manchmal sogar doppelt. Wie durch geriffeltes Milchglas. Deshalb musste ich noch zwei Wochen im Krankenhaus bleiben, zur Beobachtung, wie es hieß, und für weitere Untersuchungen. Man untersuchte mich in der Augenklinik, man machte eine Computertomographie von meinem Kopf und eine Hirnstrommessung, alles ohne Befund. Aber nach einiger Zeit, um es vorweg zu nehmen, begann sich mein Zustand von selbst zu normalisieren und die Symptome verschwanden.
Bis ich wieder klar sehen konnte, lebte ich allerdings in einer gespenstischen Welt. Besonders der Anblick meines Bruders erschreckte mich jedes Mal auf Neue. Täuschten mich nur meine Augen, oder war aus ihm in den letzten beiden Jahren, während der wir einander nicht gesehen hatten, tatsächlich dieser aufgedunsene, stoppelglatzige, ziegenbärtige Gnom geworden, der da neben meinem Bett hockte und mir mit seinen Vergeltungsschwüren für Tanjas angebliche Vergewaltigung in den Ohren lag? Der immer wieder dieselben haarsträubenden, hasserfüllten Behauptungen absonderte und mich zum Komplizen seiner Rache machen wollte? Ich wusste, dass ich mit ihm darüber nicht diskutieren konnte, und außerdem war ich zu müde, zu schwach für eine Auseinandersetzung. Meine einziger Ausweg war, ihn zu ignorieren. Sollte dieser hässliche Freak doch daherquatschen, was er wollte, ich hörte einfach nicht mehr hin.