Читать книгу Neuseenstadt 2040. Geschichte einer Unternehmerin онлайн
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Ich hatte ab 1996 als Sekretärin, Buchhalterin und Mädchen für alles in der Sanitärfirma gearbeitet. 1995 hatte ich meine Marketing-Umschulung abgeschlossen und keine Stelle gefunden. Als ein Bekannter mir diesen Job anbot, griff ich zu, obwohl er unter meiner Qualifikation war und Schwierigkeiten programmiert waren, danach eine bessere Stelle zu bekommen.
Privat war alles schief gegangen, ich war ganz allein. Ich war geschieden und meine Tochter lebte bei ihrem Freund in Frankfurt am Main. Das Bild mit dem Kinderwagen in Karl-Marx-Stadt erzählt etwas anderes, das lag aber zu diesem Zeitpunkt weit zurück. Doch dazu später.«
Sandra seufzt und trinkt ihr Wasser aus. Gleich guckt sie auf die Uhr, ich sollte mich disziplinieren und zur Sache kommen, denkt Jutta.
»Ich will Sie nicht auf die Folter spannen. Zu diesem Klassentreffen sah ich meine frühere Freundin Ina wieder, das erste Mal seit der Flucht ihrer Familie in den Westen. Sie kam als Letzte, als wir alle in Gespräche vertieft waren. Ich unterhielt mich mit Klassenkameraden, denen es zum Teil nicht besser ging als mir, und fühlte mich wohl in der Runde. Dann trat Ina auf. Ihr Erscheinen verwandelte den Raum zur Showbühne und alle starrten hingerissen zu ihr: Eine elegante Frau mit fast Fünfzig, die sofort die Gespräche an sich riss. Ihre durchdringende Stimme ließ alle anderen verstummen. Hätte ich mich nicht gerade so gut mit meinem Klassenkameraden Bernd unterhalten und gehofft, das Gespräch bald fortsetzen zu können, wäre ich sicher schnell verschwunden. Doch um ehrlich zu sein, ich war auch fasziniert. Meine alte Freundin, wie hatte sie sich verändert, wie erfolgreich war sie geworden! Was hatte sie, was ich nicht einmal ansatzweise erreichen konnte? Obwohl sie fülliger war als ich, wirkte sie elegant in ihrem maßgeschneiderten dunkelblauen Kostüm. Ich brannte darauf, mehr aus ihrem Leben zu hören, doch sie präsentierte sich geschickt und mit vielen unterhaltsamen Details als erfolgreiche Marketingfrau. Von ihrem Privatleben erfuhren wir nichts. Plötzlich kam für mich die Überraschung: Sie sprach keineswegs von einer Firma in Stuttgart oder Hamburg, sondern sie lebte und arbeitete seit zwei Jahren in Leipzig. In einer mir unbekannten Firma GENIL hatte sie eine neue Marketingabteilung aufgebaut.«