Читать книгу Auslaufgebiet. Der andere Berlinkrimi онлайн
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Dort wuchs Dao behütet auf. Ihre neuen Eltern waren gläubige Christen, besuchten regelmäßig den Gottesdienst, übernahmen Ehrenämter zuhauf, arbeiteten hart und lebten unauffällig. Sie hielten Dao zum Beten und Lernen an, erzählten ihr erfundene Geschichten von den unbekannten Eltern, den Düften, Klängen und Bräuchen der Heimat und sprachen niemals Vietnamesisch mit ihr.
Dao wurde eine gute Schülerin. Sauste durch das Gymnasium, lächelte höflich in alle Richtungen und schloß als Jahrgangsbeste ab. Sie landete mit Photo im Lokalblatt, alle tätschelten ihre hohen Wangen, ihr seidenschwarzes Haar, mehr stolz auf sich als die norddeutsche Asiatin. Dao hatte es satt. Wollte nicht mehr Exotin sein, gefragt werden, wie man korrekt Reisnudeln zubereitet, ob ihr deutsches Essen nicht zu schwer und Schützenfestkorn bekömmlich seien, wollte sich nicht mehr ducken, schleichen, fehlerlos leben.
Sie wollte zu den Guten gehören, für Recht, etwas Ordnung sorgen, helfen, schützen. Sich verstecken hinter einer Aufgabe, in einer Uniform, einer großen Stadt, vielleicht sogar dazugehören zu Corps oder struppiger Einwohnerschar, irgendwann. Sie nahm eine Deutschlandkarte, sah die Flecken Hamburg, Köln und München, umkreiste den dicken Flatschen Berlin und blieb hängen. Ihre Eltern bettelten, schimpften, die Mutter weinte, der Vater argumentierte. Sie hatte doch Abitur, sollte studieren, Ingenieurin werden, Brücken bauen, zurückkehren nach Saigon, erfolgreich, europäisch gebildet. Aber Dao wollte Polizistin sein, von dort zur Kripo.