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Das namenlose Dorf brannte. Im Schutz einer zerstörten Kirche hatte die kleine Einheit beobachtet, wie die Flammen die Hütten auffraßen und die Einwohner ins Freie stolperten, wo sie ein leichtes Ziel für die Scharfschützen abgaben. Als keine Gefahr mehr bestand, stürmten die Soldaten den Hügel hinab. Die vom Führer geforderte, sukzessive Ausrottung des niederen Menschengeschlechts musste vorangetrieben werden. Es galt, der sich nach Stalingrad zurückziehenden und dabei verbrannte Erde zurücklassenden, russischen Armee schnellstmöglich zu folgen. Exekutionen anstatt Verhöre. Verdächtige gab es nicht, nur Schuldige. Es war schließlich Russland, wo die von Männern in ordensbehängten Uniformen geschriebene Haager Landkriegsordnung einen Dreck wert war und das Völkerrecht so eingefroren, wie die russische Schwarzerde unter Großvaters Stiefeln.

Großvater stieg über eine von Granatsplittern durchtriebene Kinderleiche. Er hatte sich an solche Anblicke gewöhnt. Er hatte schon lange nicht mehr geweint und hätte es jemanden interessiert, Großvater hätte geantwortet, dass er mit Sicherheit keine Tränen mehr in sich habe. Für einen kurzen Moment betrachtete er das viele Blut, das sich deutlich vom Schnee abhob und hätte es ein Jackson Pollock schon zu Ruhm gebracht, hätte Großvater sicher an eines seiner Bilder gedacht. So sah er lediglich die verstörende Realität des Krieges. Großvater schluckte den Klos in seinem Hals hinunter und stapfte weiter durch den Schnee, den Flammenwerfer im Anschlag und bereit, ihn jederzeit willenlos einzusetzen. In den Abdrücken, die seine Stiefel im Schnee hinterließen, sammelte sich Blut. Jenseits der niedergebrannten Hütten hörte er vereinzelte Schüsse. Rauch brannte ihm in den Augen, bissig wie ausgehungerte Hunde. Der Gestank von verbrannter Haut schnürte ihm die Kehle zu. Die Schreie der Überlebenden bohrten sich in seinen Schädel, als wollten sie sein Gehirn zur Detonation bringen. Sie übertönten die Maschinen der Luftwaffe, die hoch oben den Himmel zerschnitten. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und fuhr herum. Eine Frau zog sich mit den Armen über den Schnee und versuchte sich hinter einen eisernen Pflug zu retten. Ihr rechtes Bein war unter dem Kniegelenk abgetrennt, ihr Körper war rohes Fleisch und dort, wo noch Reste der Haut waren, schlug diese Brandblasen. Großvater folgte der Blutspur und ging neben der Frau in die Knie. Einem inneren Impuls folgend, drehte er sie vorsichtig auf den Rücken und legte ihr seine geschundene Hand auf die Stirn. Das Gesicht wies entsetzliche Verbrennung auf. Nur vereinzelt standen noch gekräuselte, graue Haarbüschel auf der verkohlten Kopfhaut. Die Lider der Alten hoben und senkten sich und ihre Augen huschten unruhig umher, während die Pupillen erfolglos versuchten, sich zu justieren. Mit den Fingerspitzen zupfte Großvater die Reste eines Tuches von dem lippenlosen Mund und spähte hinab in das schwarze Loch. Er sah, wie sich das Zäpfchen bewegte und sich der Eingang zur Luftröhre gurgelnd schloss und wieder öffnete. Die Frau begann zu zucken, bäumte sich auf und Großvater merkte, wie sich Finger in seinen Hemdsärmel krallten. Röchelnde Laute drangen an sein Ohr. Ihr Griff wurde intensiver und aus den Lauten wurden Vokale und Konsonanten. Unverständliche Worte drangen aus dem Inneren der Frau, deren starrer Blick nun auf Großvater haftete. Er riss sich los, kam auf die Beine, zog seine Waffe und schoss. Die Augen der Alten schlossen sich für immer. Ohne den Blick von dem Einschussloch oberhalb des rechten Auges abzuwenden, steckte Großvater die noch rauchende Luger in den Halfter. Eine eisige Kälte schlug ihre Reißzähne in seine Eingeweide und ein Schauer durchlief Großvaters Körper von den Zehen bis zur Kopfhaut. Er ertastete den Flammenwerfer und stürmte weiter. Weder bemerkte Großvater den Schmetterling, der sich auf seiner Schulter niederließ, einmal mit den Flügeln schlug und in den Winter entschwand, in dem er gar nicht hätte existieren dürfen, noch das kleine Mädchen, das zur Leiche der Frau krabbelte und den Boden mit ihren Tränen tränkte.

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