Читать книгу Karl -ausgeliefert онлайн
50 страница из 52
Im Keller
Manchmal war es schon hell, wenn er aufwachte. Immer war dann die Flasche gefüllt und es gab zu Essen. Brot. Selten lag eine halbe Salatgurke in der Schale oder eine Möhre. In bestimmten Abständen fand er ein Stück Fleischwurst vor, das war dann immer ein besonderes Geschenk. Was ihm ganz und gar nicht behagte, war, dass er seine Notdurft hier im Keller verrichten musste. Mittlerweile gab es kaum noch eine Stelle auf dem Boden, die sauber war. Er fühlte sich sehr schmutzig. Den Gestank, den seine Hinterlassenschaften erzeugten, nahm er nicht mehr wahr. Er kannte es nicht anders, und so hatte er sich damit abgefunden. Seine Versuche, Kontakt mit demjenigen aufzunehmen, der ihn hier unten eingesperrt hatte, blieben stets erfolglos. Er aß, er trank, er erleichterte sich. Dazwischen schlief er. Und wenn er nicht schlief, lag er mit geschlossenen Augen auf seiner Pritsche und versuchte herauszufinden, wer er war. Doch da gab es nichts, was ihm einfiel. Manchmal sah er Gesichter. Doch die lösten bei ihm nichts aus. Er hatte einen immer wiederkehrenden Traum. Da war ein Tannenbaum. Woher er wusste, dass es ein Tannenbaum war, konnte er nicht sagen, doch es war einer und somit war alles gut. Bunte Kugeln hingen an dem Baum und oben auf der Spitze glänzte ein goldener Stern. Bunte Pakete waren unter den Baum gelegt worden und alle diese Geschenke waren für ihn. Das wusste er. Seine Pakete und Päckchen. Doch immer, wenn er im Traum diese wunderschönen bunten Geschenke auspacken wollte, geschah dasselbe. Es war nie etwas darin. Sie bestanden nur aus dem Geschenkpapier. Waren sie vor dem Auspacken noch schwer und fest, blieb zum Schluss nur das Einwickelpapier übrig. Das machte ihn sehr traurig und er dachte, dass ihn doch jeden Tag aufs Neue jemand beschenkte. Brot, Wasser und manchmal Fleischwurst. Und den Anzug, den er trug. Und die Socken, die allerdings mittlerweile sehr dreckig waren. Wenn er den Geschenketraum hatte, wachte er jedes Mal traurig auf. Ihm war, als wäre da noch jemand in seinem Traum gewesen. Aber dieser Jemand war nie zu sehen. Als stünde er oder sie hinter ihm. Dieser Jemand musste den Baum geschmückt und die Geschenke vorbereitet haben. Betrügergeschenke, die nur Vorfreude erzeugten, die dann aber sofort in Enttäuschung umschlug. Er fühlte, dass dieser Jemand ihn liebhaben musste, wenn er sich solche Mühe machte mit dem Baum und den bunten Päckchen. Und ihn hassen musste, denn immer war die Enttäuschung, die Demütigung, nichts geschenkt zu bekommen, das viel intensivere Gefühl. Und natürlich war das Absicht. Dieser Jemand wollte, dass er sich so fühlte. Der war böse. Anders als derjenige, der ihn hier festgekettet hatte. Dessen Geschenke waren real. Brot, Wasser, der Anzug. Und manchmal eine Möhre.