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Auf der rechten Seite liegend schlage ich die Augen auf. Ein neuer Tag. Mein Blick richtet sich zum Kopfende, wo auf dem Nachttisch ein halbleeres Glas Wasser wartet und der uralte Wecker mit beruhigender Regelmäßigkeit vor sich hin tickt. Viertel nach sieben. Ein Moment vergeht, bevor die letzten Traumwirren aus dem Kopf verschwunden sind. Beide Knie angezogen, stütze ich mich ab und schwenke in den aufrechten Sitz. Die Füße kommen so genau an den ebendort gestern Abend stehen gelassenen Pantoffeln an. Alter Perfektionist, grinse ich und mustere die unförmigen Zehen. Mittlerweile habe ich diese Verstümmelungen akzeptiert, aber Schmerzen sind meine häufigen Begleiter. Na, komm, muntere ich mich auf. Heute Morgen geht’s schon wieder etwas besser. Ich nehme einen Schluck Wasser, stecke die Füße bis über die Sprunggelenke in diese Pantoffel-Konstruktionen, deren Gummisohlen mir Gernot aufgeraut hat, damit ich auf den glatten Holzstufen der Treppe auch wirklich Halt fände, und schließe die Klettverschlüsse über den unteren Schienbeinen. Im Bad schaltet der Bewegungsmelder das Licht an. Rasieren?! Werde ja nicht nachlässig, Methusalem! Beim Blick in den Spiegel fallen mir wieder ein paar neue Falten auf – oder trage ich die schon länger? Zum Glück habe ich über die Jahre kein Doppelkinn bekommen. Nach allen üblichen Prozeduren und dem darauf folgenden Ankleiden gehe ich hinüber in die Wohnküche, von wo aus die Fenster an der Stirnseite des Häuschens in den Vorgarten an der Straße und das kleinere Fenster in der Dachgaube zum Nachbargrundstück blicken lassen. Ich drücke den einzigen Knopf an der Kaffeemaschine, schneide zwei Stück vom leckeren, nigerianischen Bananenkokoskuchen ab und positioniere sie gegenläufig auf einem Teller. Als ich mich mit Tasse, Teller und einer kleinen Gabel bewaffnet am Tisch in der Mitte des Raumes hinsetze und das erste der beiden Kuchenstücke zu zerteilen beginne, fällt mir auf, wie althergebracht alles geblieben ist. Ich schaue mich in meiner Wohnung um. Gemütlich, ja. Aber die Ausstattung, von der ich annehme, dass sie bei anderen Leuten zumindest hier in unserem Ortsteil nicht luxuriöser ausfallen dürfte, ist doch geblieben, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne. Die Stromversorgung, die Haushaltsgeräte, die Einrichtungsgegenstände, die Kommunikationsmittel sind doch jetzt am Ende des 21. Jahrhunderts im Wesentlichen die gleichen, die meine Eltern und Großeltern auch schon hatten – oder zumindest kannten. Der Kühlschrank arbeitet immer noch mit einer Wärmepumpe und die Waschmaschine immer noch mit einer rotierenden Trommel. Nur was früher als Fernseher bezeichnet wurde, ist heute der 3D-Viewer, der beliebig vielen Personen davor je zwei Bilder in die Pupillen projiziert und damit personalisierte räumliche Eindrücke vermitteln kann. Aber Türen und Fenster haben immer noch ganz normale Drehgriffe und Heizungsthermostate funktionieren immer noch mit Bimetall-Streifen. An diesem ganzen Alltagskrempel hat sich fast nichts verändert. Dabei habe ich mich schon mit knapp dreißig mit ‚Human Interfaces‘, den Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine beschäftigt. Mein gesamtes Forschungsteam war damals euphorisiert und von dem Drang beseelt, die Zukunft zu erfinden. Gedanken, nervliche Impulse sollten genügen, unsere Umwelt bedienen und beeinflussen zu können, den Menschen die Handhabung ihrer Umgebung noch leichter zu ermöglichen. Künstliche Intelligenz! Wie viele Fiktionen von vernetztem Leben, von computergesteuerten Städten oder völlig automatisierter Produktion begeisterten uns damals?!