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Zu meinem zehnten Geburtstag schenkte Opa mir die dicke, von einem gewaltigen Einweckgummi zusammengehaltene Mappe voller Berechnungen mit den Worten: Leon, bewahre dieses Geschenk gut auf. Auch wenn du das noch nicht verstehst, du wirst die Niederschriften irgendwann gebrauchen können! Seinen bedeutungsvollen Blick habe ich bis heute nicht vergessen. Dennoch vertraute ich den Packen Unterlagen dann ohne größeres Verlustgefühl meinem Papa an, war aber mächtig stolz, nunmehr Besitzer irgendeines, wie auch immer gearteten Schatzes geworden zu sein. Und als „Schatzbesitzer“ kann man seine Kinderzeit genießen, obwohl auch für unsere Familie damals die Lebenshaltungskosten immens gestiegen sein mussten. Ich bekam das mit, weil sich die Eltern um die Bezahlung meiner Schulbücher für die vierte Klasse zankten. Doch meistens versuchten sie, die Sorge um ihren Schützling vor mir zu verbergen, so gut sie konnten. Außer bei dem Netz, das sie über meinem Bett anbrachten und das ich so über alle Maßen scheußlich wie unnötig fand. Ich bin doch kein Mädchen, das einen Schleier über der Bettdecke haben möchte! Aber diese Maßnahme müsse sein, hatte Mama gesagt und Papa verbot mir mit aller Strenge, drüben noch einmal in den Wald zu gehen. Was ist los? Nein, ich hätte nichts Falsches getan und das wäre um Gottes willen auch keine Strafe. Zur Schule musste ich neuerdings auch bei warmem Wetter nur noch mit langärmeliger und langbeiniger Kleidung gehen und befürchtete, dafür von den Anderen voll „gedisst“ zu werden. Komisch war nur, dass es vielen meiner Schulkameraden ähnlich ging. Die trugen plötzlich auch so voll uncoole Klamotten und dann lachten wir uns alle gegenseitig aus. Aber das Lachen verging uns, als eines Morgens unsere Klassenlehrerin und der Schuldirektor mit ernsten Gesichtern den Klassenraum betraten und uns bekannt gaben, dass Elvira S., wir nannten sie immer Elvis, nicht mehr in unsere Schule käme. Elvis war schon seit über einer Woche nicht mehr zum Unterricht gekommen und jetzt sagte die Klassenlehrerin, sie hätte mit einer schlimmen Krankheit im Krankenhaus gelegen. Wir waren alle tief betroffen und fragten nach. Der Direx erklärte, dass seit mehreren Wochen in Deutschland die asiatische Buschmücke gehäuft aufgetreten ist, sich nun mit hoher Geschwindigkeit vermehrt und weiter schnell ausbreitet. Diese Mückenart überträgt das Virus des sogenannten Dengue-Fiebers, an dem man sterben kann. Und Elvis war von solch einer Mücke gestochen worden. Da niemand mit diesem Krankheitsbild rechnete, obwohl - was wir Kinder nicht wussten - das Robert-Koch-Institut Monate zuvor eine bundesweite Warnung herausgegeben hatte, war Elvis falsch behandelt worden und ist dann an den Folgen des Mückenstiches erkrankt. Wir sollten sie nicht mehr wieder sehen … Doch nun ging die Angst um an der Schule. Freiwillig setzten die meisten Schüler auch an anderen Schulen und auch in den höheren Klassen schon im September die Kapuzen ihrer Anoraks auf. Unsere Blicke streiften jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn alle Wände des Klassenraums, ob sich nicht eines von diesen „Aliens“ auf die Lauer gelegt hätte und gnadenlos zu töten wäre. Jedenfalls waren wir Schüler aufgefordert worden, unsere Augen offen zu halten und jeden noch so kleinen Vorfall sofort zu melden. So war auch meine Aufmerksamkeit in diesen Herbstwochen des Jahres 2024 – außer immer noch auf das Lernen – hauptsächlich auf die unmittelbare Umgebung gerichtet und ich bekam nur am Rande oder über Gesprächsfetzen meiner Eltern mit, was sich draußen in der großen weiten Welt so alles abspielte.

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