Читать книгу Heimkehr. Kappes 19. Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1946) онлайн
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Heute schien alles in Ordnung. Niemand hatte sein wackliges Sitzmöbel entwendet oder vertauscht, durch die winzige Scheibe im unteren Teil des Fensters fiel ein Strahl der Septembersonne auf die narbige Platte seines schwergewichtigen Antikmöbels. Das Glas, einst das Porträt des finster blickenden Fanatikers mit dem Chaplin-Bärtchen vor Fliegenschiss schützend, hatte Kappe eigenhändig zugeschnitten, nachdem er das Führerbild hinter dem Aktenschrank entdeckt und eilig zerfetzt hatte. Ein Glasschneider gehörte in diesen Zeiten zu den unentbehrlichen Werkzeugen, selbst wenn man Kriminalkommissar von Beruf war.
Kappe öffnete die Aktentasche, platzierte Stullenbüchse und Emailleflasche vor sich auf dem Schreibtisch und schloss dessen rechte Seite mit dem einzigen Schlüssel auf, der sich hatte auftreiben lassen. Kaum hatte er seine Utensilien im oberen Fach verstaut, als die Tür aufgerissen wurde und ein strammer Jüngling mit akkurat gestutzter schwarzer Haartolle hereinstürmte – ein Jüngling jedenfalls aus der Sicht des 58-jährigen Kappe. Udo Schieck war 31, gelernter Fotograf, verflossener mittlerer HJ-Führer und Unteroffizier, den die Russen irgendwo kurz vor dem Ural in einem Antifa-Kursus so gründlich umgeschult hatten, dass Kappe mitunter der Mund offen stand vor Staunen. Dabei war klar, dass man ihm, dem altgedienten Lakaien dreier Systeme, den eilfertigen Konvertiten Schieck keineswegs nur als Kriminaltechniker, sondern zur Kontrolle und Überwachung beigeordnet hatte. Von Kriminalistik verstand der nicht die Bohne, schlug aber allen Ernstes vor, die sich häufenden Mordfälle künftig mit den Methoden des dialektischen Materialismus aufzuklären.