Читать книгу Koshiki Kata. Die klassischen Kata des Karate-do онлайн
28 страница из 62
Weitere Verwirrung stiftet das häufige Verwechseln von „klassischen“ und „traditionellen“ Kata. Zwischen beiden gibt es einen feinen, aber sehr bedeutsamen Unterschied. Die klassische Kata ist eine Abfolge von Bewegungen und Körperhaltungen, die unwandelbar weitervermittelt wird, aber sie vermittelt nicht immer eine Botschaft (beispielsweise religiöser Natur). Alle Kata, in denen eine bestimmte Tradition fortlebt, sind offenkundig alte, klassische Formen. Der umgekehrte Fall gilt hingegen nicht immer. Man kann nicht über irgendeine Kata mit der Begründung, sie sei alt, beliebige Behauptungen aufstellen. Auch treffen bestimmte Dinge nur auf Teile einer Kata zu. Finden sich beispielsweise mehr oder weniger deutliche kulturelle, religiöse oder energetische Anhaltspunkte in einem bestimmten Abschnitt einer Kata, so wäre es doch vermessen zu behaupten, die gesamte Kata sei hierdurch charakterisiert.
Die alten Kata sind Botschaften einer Tradition, gewiß auch Träger bedeutender Lehren, die dem modernen Menschen helfen können, die Welt besser zu begreifen und ein besseres Leben zu führen. Aber dieses in ihnen verborgene Wissen offenbart sich erst dem, der dazu „bereit“ ist, und dies geschieht dann in Gestalt von flüchtigen Eingebungen, die mehr oder weniger häufig auftreten. Nach und nach stellt sich so eine neue Wirklichkeitssicht ein. Die Bewegungsfolgen und Körperhaltungen einer klassischen Kata so genau wie möglich zu kennen und zu üben, führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, die zweite Stufe des Verständnisses zu erreichen, das heißt, die traditionelle Botschaft zu erkennen, die in der Bewegungsfolge enthalten ist. Die erste Stufe des Verständnisses der Kata – das „äußere“ Begreifen – kann die zweite Stufe, das „innere“ Begreifen, zur Folge haben, aber dies geschieht nicht von allein. Die beiden Arten, eine Kata geistig zu erfassen, sind nicht völlig voneinander unabhängig, sondern stellen parallele Prozesse dar. Beide müssen behutsam und ohne Vorurteile angegangen werden. Die Teile des auf diesem Weg erlangten Wissens sind mit den Scherben eines alten Tongefäßes vergleichbar. Fügt man sie voreilig zusammen, kann es geschehen, daß manche Scherbe verkehrt eingesetzt wird. Und beim vorschnellen Versuch, die alten Farben aufzupolieren, ist schnell das ganze Bild verfälscht.