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Kurze Zeit später geht es dann erstmals auf meiner Reise durch ein längeres Waldstück, hauptsächlich aus Eichen und Buchen bestehend, aber auch Birken und Ahorn erkenne ich. Und ich genieße die frische, feuchte Morgenluft. Die Sonne gewinnt langsam an Intensität, ein herrliches Gefühl aus körperlicher Anstrengung, Wärme und frischer Luft durchzieht mich. Es folgt eine Frühstückspause mit Brötchen, Salami, Kakao und einem Apfel. Kein Mensch ist mir in den ersten vier Stunden des Tages begegnet. Überhaupt führt mich mein Navigationsgerät heute wieder über schönste Wander- und. Radwege. Dies führt allerdings dazu, dass mir jedwede Ortschaft an diesem Wandertag vorenthalten bleibt. Ich hatte daher ausreichende Verpflegung und Flüssigkeiten eingepackt, getreu dem Motto „Besser man hat, als man hätte“.

Etwa bei Kilometer 28, es ist gegen 12:00 Uhr, und ich bin schon seit mehr als sieben Stunden unterwegs, zieht jemand den Stecker aus meiner Energiebox. Ich erleide innerhalb weniger Minuten ein körperliches, aber auch geistiges Tief. Gestützt auf meine Wanderstöcke schleppe ich mich nur noch mühsam voran. Ich gestehe mir ein, eine längere Pause einlegen zu müssen. Einen so schnellen und tiefgreifenden Energieverlust habe ich noch nie erlebt, selbst zu meinen besten Sportlerzeiten nicht. Gut, die liegen lange zurück und damals war ich gut austrainiert, aber dies jetzt zu erleben ist schon krass. Da ich von Natur aus ein sehr rationaler Mensch bin, gelingt es mir immerhin, mich mit der Situation zu befassen und so mache ich mit mir selbst einen Punkt am Ende des langen vor mir liegenden Feldweges aus und beschließe, dort so lange zu pausieren, wie es vonnöten sein wird. Wie auf meinen bisherigen Wegen sind Bänke auch hier nicht nur Mangelware, sondern schlichtweg nicht vorhanden. Ich lege mich kurzerhand auf einen Streifen Sand, bette meinen Kopf auf den Rucksack und schnaufe kräftig vor mich hin. Jetzt einfach schlafen und das Laufen für heute einstellen, so ist es mir gerade zumute. Dass dieser Moment so oder so ähnlich kommen würde, war mir eigentlich klar, oft genug habe ich ihn als ehemaliger Leistungssportler erlebt. Dann aber so schnell damit konfrontiert zu werden, ist eine andere Sache. Aber ich weiß auch, dass es nach jedem Tief wieder ein Hoch gibt. Zwei Fragen sind für mich jetzt relevant. Erstens, wie komme ich aus dem aktuellen Tief heraus und zweitens, was war die Ursache für meinen jetzigen Erschöpfungszustand? Also erst mal richtig runterfahren, Zeit lassen, trinken. Anschließend esse ich einen Apfel und führe mir den Rest einer Schokoladentafel zu. Ich schließe die Augen, bleibe länger als eine halbe Stunde so liegen. Langsam kriechen die Lebensgeister in Form von Energie in meinen Körper zurück. Ich richte mich auf und laufe einige Minuten später wieder los. Ganz bewusst setze ich einen Schritt vor den anderen, laufe langsam und finde allmählich wieder zu meinem Rhythmus. Die Beine laufen wieder und auch mein Kopf ist jetzt in der Lage, Antworten auf die beiden offenen Fragen zu finden. Zum einen wird mir klar, dass mein gestriges Abendessen zwar ausgesprochen gesund, aber absolut unzureichend nahrhaft war. Mir haben einfach ausreichende Kalorien gefehlt, eine ganz wesentliche Erkenntnis auch für die nächsten Tage und Wochen. Zum anderen muss ich mich unbedingt in meinen eigenen zeitlichen Vorstellungen korrigieren. Disziplin ist zwar für das Erreichen der Zugspitze eine Grundvoraussetzung, aber ich muss mir selber etwas mehr Freiraum zugestehen. Also nehme ich mir vor, mich künftig an der Distanz und am Tageslauf, aber nicht primär an der Uhr zu orientieren. Ob mir dies gelingt, bleibt abzuwarten, aber schließlich habe ich den ganzen Tag Zeit, um von A nach B zu kommen und dort auch noch ein Bett zu finden. Gleichwohl habe ich mich bisher mental leichter getan, wenn ich schon am Morgen weiß, wo ich abends schlafen werde, als noch auf die Suche nach einer Unterkunft zu gehen. Und wenn ich schon beim Analysieren bin, dann kann ich mir auch noch klarmachen, jeden Schritt bewusst zu tun und mein Tempo frühzeitig meiner jeweiligen Verfassung anzupassen. All das sind Fakten, bei denen jetzt jeder (und auch ich) sagen wird: Na ist doch klar, schon hundert Mal gehört, mach ich schon. Aber Theorie und Praxis sind bekanntermaßen zwei Paar Schuhe und ich bin gespannt, wie lange diese Erkenntnisse anhalten werden.

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