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Warum nur vertrauen uns die Leute in der Stadt? Wir Fremden wollten einen Ali treffen. Wäre das in einer so gebrandmarkten Gegend nicht Grund genug, misstrauisch zu sein? Ich überrasche mich selbst in meiner Angstfreiheit an diesem unruhegeplagten Pulverfass-Ort.

Höre ich in den Monaten danach von Luftangriffen in der Provinz Hakkari sehe ich nur eines vor mir, den stillen, warmherzigen Blick Alis.

360° Film

IRAN


Ramins Schutzwall der Bücher.

Teheran, ich machte mir keinen Begriff von dir. Schon Istanbul ist in meinen Augen eine Mega-City, die nicht zu überbieten war. Und doch erlebe ich in dir, wie du auf alles noch mal eine Kelle obendrauf legen kannst. Autoverkehr, wie ich nicht glaubte, dass es ihn gibt. Von Verkehr, wie ich ihn bisher verstand, keine Spur. Wenn ich damit ein wie auch immer geartetes, geordnetes Vorankommen verbinde. Das einsilbige Wort Stau trifft einfach nicht, was in Teherans Straßen Tag für Tag abgeht.

Stell dir beim Lesen eine Strecke von einhundert Kilometer Länge vor. Denke dann weiter, dass es auf dieser Distanz eine Straße gäbe, die acht Spuren breit in beide Richtungen verläuft, nur keine Spur von einer Spur. Also, komplett ohne jede Linie, die im leisesten anzeigen könnte, wo es langgeht und wo auch nicht. Schnapp dir nun einen Sack voller Autos und kippe sie allesamt auf dieses breite Bitumenband. Stelle sie eng an eng. Doch nicht, als würden sie mit ihrem Jutebeutel geduldig nach Sonntagsbrötchen anstehen. Nein, vollkommen ineinander verschachtelt baust du sie auf. Ein rechter hinterer Kotflügel streichelt den linken vorderen eines anderen Gefährts. Kofferklappen küssen Frontschürzen. Seitenspiegel lieben eher die harten Liebkosungen. Straßenverkehr im wörtlichsten aller Sinne. Es geht nicht um Schnelligkeit und Ankommen. Wohl mehr ums Mitmischen und Dabeisein. Als zöge das Heer von Dschingis Khan durch die Lande. Minimale Lücken, die zufällig doch noch entstehen, füllst du mit massenhaft Mofas, also den leichtberittenen Recken, aus. Betreibe das so lange, bis wirklich, aber auch wirklich kein einziger Zentimeter mehr vom Schwarz des Asphalts zu sehen ist. Nun bewege dieses Knäuel irgendwie vorwärts. Doch bitte nicht im Ganzen, sondern so, dass sich in den nicht vorhandenen Zwischenräumen Mofas und Autos versuchen, aneinander vorbei zu quetschen. Wahrscheinlich reichen deine zwei Hände allein nicht aus. Du wirst Helfer brauchen, die mit schieben, drängeln, versuchen, sich mit ihren Mobilen an anderen vorbeizuzwängen. Bei all dem Spaß wird es langsam dunkel und alle schalten ihre Scheinwerfer ein. Zum Höhepunkt deines Straßenevents fängt es nun auch noch an zu regnen. So stark, dass durch die verschmierten Frontscheiben nur noch ein verschleiertes Meer an rot leuchtenden Rück- und Bremslichtern wahrzunehmen ist. In diesem Gewimmel, stell dir nun unseren Elf-Tonner-Leo vor. Nicht wendig und flexibel, schon gar nicht spritzig und spontan. Für Leo ist es das Beste, wenn er viel Platz um sich hat, er sein Tempo fahren kann und abruptes Bremsen ausbleibt. Genau das gibt es hier nicht. Millimeterweise kämpfen wir uns voran, wohin auch immer der Weg hier führt. Im Schneckentempo vorbei an den rasenden Polizisten, die uns mehr als wütend deutlich machen, dass es mit einem LKW verboten ist, in die Stadt zu fahren. Doch wir verstehen einfach nicht. In Ermangelung von tatsächlichen Alternativen.

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