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Die Schlange vor dem Kessel wurde von Tag zu Tag kürzer, dennoch fror Großvater und konnte es nicht erwarten, seine Hände um den warmen Teller zu legen. Atemwolken hingen zwischen den Männern. Es gab eine Brühe, nicht mehr als warmes Wasser mit Salz und Gewürz. Dazu eine Kartoffel. Endlich! Die Wärme ließ Großvater seine Fingerkuppen spüren.

- Bitte … ich verhungere … nur ganz wenig …

Kraftlose Hände griffen nach Großvaters Beinen. Er blickte auf den Mann hinab. Für Güte gab es hier keinen Platz. Der Mann würde die Nacht ohnehin nicht überstehen. Großvater schüttelte ihn ab und blickte sich nicht mehr um.

Großvaters Fingernägel kratzten über das Blech des Tellerbodens. Er seufzte, als er sich die Kartoffelkrümel in den Mund schob. Sein Zahnfleisch war wund und schmerzte beim Kauen, dennoch zermahlte er jeden Bissen, bis es nichts mehr zu kauen gab. Er schmeckte den eisernen Geschmack seines Blutes. In der Mitte des Raumes brannte in einem alten Ölfass ein kleines Feuer, malte Formen und Figuren an die Balkendecke und spendete ein wenig Wärme. Der Geruch des nur schwerlich abziehenden Rauches hatte sich in den Kleidern der Gefangenen festgesetzt. Großvater verspürte nach wie vor ein quälendes Hungergefühl. Unweit von ihm weinte ein Kamerad, mehr Junge als Mann, beim Betrachten eines vergilbten Fotos seiner Mutter. Großvater wandte den Blick ab. In die Holzwand hatte jemand das Bild einer nackten Frau geritzt. Großvater mochte sich nicht vorstellen, wie viele arme Schweine schon vor ihm hier gelegen hatten. Großvater betrachtete das Bild und floh sich zwischen die gespreizten Beine einer schönen Phantasie. Keiner sagte ein Wort, was hätte man auch sagen sollen und zudem war es ohnehin verboten. Dennoch wurde hin und wieder eine Geschichte erzählt, im Flüsterton und im engsten Kreise. Großvater mochte die Geschichte über eine Reise zum Mittelpunkt der Erde oder die, über einen Mann, der auf einer einsamen Insel gestrandet war. Dieser Crusoe hatte durchgehalten. Großvater und seine Kameraden waren am Ende. Ihre grauen Hemden und Hosen waren mit der Zeit einige Nummern zu groß geworden und Großvater zog den Gürtel Woche für Woche enger um seine knochige Hüfte. Monotonie, Schmerz und Verzweiflung dominierten diesen Ort. Suizid war eine Möglichkeit, die Erosion des Körpers, den schleichenden Zerfall zu stoppen. Irgendwie überleben, eine weitere Option, wenn auch eine weitaus schwierigere. Die Glocke erklang. Mühsam richtete Großvater sich auf und griff nach dem Arm seines Kameraden. Er lag auf dem kalten Lehmboden und röchelte. Sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch, seine Rippen zeichneten sich deutlich unter der pergamentartigen Haut ab. Es käme einem Wunder gleich, wenn er die nächsten Tage überleben würde. Rasselnder Atem drang in sein Ohr, als er sich den Arm seines Kameraden auf die Schulter legte und ihn zum Platz vor der Baracke führte.

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