Читать книгу Bilanz einer Lüge. Steuerberater-Krimi. онлайн
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In diesem Stadium pflegte meine bornierte „Lieblingscousine” Helga die immer gleiche Geschichte aus dem Müll einer ihrer Gedächtnisschubladen zu ziehen. Die anderen registrierten ihre unsortierten Absonderungen schon lange nicht mehr. Aber mich brachte sie von Jahr zu Jahr mehr auf die Palme. Mit rührseliger Stimme und tränenfeuchten Augen erinnerte sie an ihre Mutter, meine Tante Erika.
„Eine so sozial eingestellte Frau. So etwas gibt es heute ja gar nicht mehr. Du darfst nie vergessen, Darius, dass Mutti” – wie sie schon Muuhtti betonte – „deinen Vater nach dem Krieg in ihrer Firma aufgenommen hat, weil er als ehemaliger SS-Offizier ja sonst nirgendwo Arbeit bekommen hätte.”
Es war einfach ungeheuerlich, wie sie die Tatsachen verdrehte. Mein Vater hatte, wie viele seiner Generation, nur wenig über den Krieg und die Zeit danach erzählt. So schilderte er, dass er zu den ersten gehört hatte, die 1935 zum Helfer in Steuersachen bestellt worden waren. 28 Jahre alt war er damals. Dann hatte man ihn zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Krieg hatte er anfänglich keine Anstellung in seinem Beruf gefunden. Ein Mangel an Mut und Geld hatten ihn davon abgehalten, sich aus dem Nichts heraus selbständig zu machen. Eine Beamtenstelle im Finanzamt war für ihn nicht infrage gekommen. Erika, seine Schwester, hatte die Spedition ihres Mannes wieder aktiviert, der in Russland vermisst wurde. Sie hatte dringend einen vertrauenswürdigen Fahrer benötigt – ihren Bruder. Sie hatte Aufträge angenommen, bei denen Transportgut, welches nach den Gesetzen der Besatzungsmächte als illegal deklariert war, zwischen den besetzten Zonen hin und her transportiert werden musste. Gefährlich, aber äußerst lukrativ. Mehr als einmal hatte sich mein Vater nur über Wald- und Feldwege einer Durchsuchung und seiner Festnahme entziehen können. Für ihn war es in Ordnung, dass er letztlich nur mit einem Hungerlohn abgespeist worden war. „Damit bewahrte ich mir einen Anschein von Moral. Ich wurde als Fahrer bezahlt und nicht als Rechtbrecher”, hatte er einmal eingeräumt.