Читать книгу Schatten über Adlig-Linkunen. Kriminalerzählung онлайн
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Sie wurde aus ihren Albträumen geweckt, als es draußen schon dämmerte und der Tag anbrach. Die drei Gestalten, immer noch vermummt und bewaffnet, waren im Raum und machten sich am Herd zu schaffen, offensichtlich um so etwas wie ein Frühstück zuzubereiten. In der Tat stellten sie etwas Brot, Speck und einen Becher mit bräunlicher Flüssigkeit auf den Tisch, die in ihrer Farbe Kaffee ähnelte, aber mehr oder weniger nur nach heißem Wasser schmeckte. Anna rieb sich die Augen, erstaunt über sich selbst, dass sie in ihrer Situation fast die ganze Nacht geschlafen hatte. Sie stand langsam auf, die Wolldecke beiseite schiebend und ging zum Tisch, um sich dort auf einen Stuhl zu setzen. Die drei Männer schauten hin und wieder zu ihr, schienen sie aber sonst nicht weiter zu beachten. Insgesamt war die Stimmung an diesem Morgen etwas entspannter als am Abend zuvor, aber Anna wagte es dennoch nicht, Fragen zu stellen, etwa danach, wo sie sich befand oder ob sie wieder freigelassen würde. Wortlos nahm sie einen Schluck aus dem Becher und die heiße Flüssigkeit tat gut. Von dem Brot und Speck bekam sie aber keinen Bissen hinunter. In ihrem Gefängnis befand sich kein Spiegel, aber Anna konnte sich auch so vorstellen, wie ihr Erscheinungsbild war. Die Haare zerzaust, das Kleid völlig zerknittert, das Gesicht ungewaschen, musste sie ein erbarmungswürdiges Bild abgeben. Anna war ein schönes Mädchen, nicht allzu groß, schlank mit vollen blonden Haaren, einem zierlichen Gesicht und leuchtenden Augen. Um ihren Mund lag stets ein leichtes Lächeln. Doch dieses Lächeln war ihr jetzt vergangen, ihre Gesichtszüge waren von Angst, zwischendurch von Panik und Trauer geprägt. Dennoch hatte sie nichts von ihrer Schönheit eingebüßt, ihr Anblick konnte jetzt aber eher Mitleid als Bewunderung auslösen. Der Tag verging trostlos, die Entführer sprachen so gut wie gar nichts mit ihr. Zwischendurch bekam sie immer wieder das Gleiche zum Essen angeboten: Speck und Brot und etwas zu Trinken. In dem Raum durfte sie sich frei bewegen; sie stellte sich oft an eines der kleinen Fenster und schaute hinaus, sehr abwechslungsreich war der Blick nicht: Bäume, Bäume, Bäume…. Endlich dämmerte es wieder und die Dunkelheit kam wieder, eine Dunkelheit, die auch die Seele zu erfassen schien. Anna legte sich wieder auf die Chaiselongue, doch diese Nacht konnte sie lange nicht einschlafen, ihr Heimweh wurde immer stärker. War sie jemals überhaupt schon so lange von zu Hause weg gewesen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Maria hatte einmal davon gesprochen, Hannes in Berlin zu besuchen, aber sie hatte nicht daran geglaubt. Zwei junge Frauen alleine auf einer Bahnfahrt nach Berlin: unmöglich. Schließlich war Anna doch noch eingeschlafen, wieder in diesen von Albträumen begleiteten Schlaf.