Читать книгу Wu. Ein Deutscher bei den Meistern in China онлайн
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Diese Problematik war früher auch im Westen bekannt. Leonardo da Vinci36 meinte einst: »Der ist ein schlechter Schüler, der seinen Meister nicht überflügelt.« Zum Thema Respekt hat Zhuangzi sich vor 2 500 Jahren auf kluge Weise geäußert:
Wenn man über Respekt nicht spricht und er nicht erwähnt wird, dann ist Respekt vorhanden. Wird jedoch von Respekt gesprochen, wird er verlangt oder sich darauf berufen, oder wird erwähnt, wie sehr man jemanden respektiert, dann heißt das, dass es auch Respektlosigkeit gibt. Wenn man nämlich den Respekt betont, dann bedeutet das, dass es etwas Besonderes ist, und besondere Dinge sind immer selten. In der Natur, im Leben und in der Wissenschaft entsteht alles aus einem relativen Zusammenhang, so dass sich der Respekt erst aus der Respektlosigkeit bildet und umgekehrt. Somit ist wahrer Respekt erst vorhanden, wenn nicht darüber gesprochen wird.
Im alten China gab es bei einigen Kampfkunststilen den Brauch des baishi (拜师), der Bitte, von einem Meister als Schüler angenommen zu werden. Dabei muss man auf die Knie sinken und den shifu um Aufnahme in die Schule bitten. Diese Tradition ist eine rituelle Demutsbezeugung, ähnlich dem kotau37. Sie ist konfuzianischen und teilweise buddhistischen Ursprungs. In anderen Kampfkunststilen, vor allem in den daoistisch beeinflussten, wird diese Geste abgelehnt. Meister Lis Lehrer glaubten nicht an das baishi. Sie verlangten es auch nicht, genauso wie es Meister Li auch nicht von mir oder von anderen seiner Schüler verlangte.