Читать книгу Der wandernde Krieg - Sergej онлайн
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Links der Straße jedoch lagen das Gut und daneben der Kottenhof. Seine Felder waren Felder geblieben und niemand schien auf den Gedanken zu kommen, nachzufragen, warum dieses Land schlechteres Bauland sein sollte als die Felder auf der anderen Seite der Straße. Es war eben immer so gewesen, der Hof war im Gedächtnis der Menschen ebenso uralt wie das Gut, der Weg, der zu ihm hinauf und in die Felder führte, hieß „Kottenhofer Weg“ und hatte immer schon so geheißen. Die Familie, die den Hof nun schon seit vielen Generationen bewirtschaftete, hieß Krämer, und auch wenn sich niemand daran erinnerte – das war nicht immer so gewesen.
Denn Neurath war alt. Wer sich die Mühe machte, rechts der Straße zwischen die schmucken Häuser der neuen Siedlung zu gehen, vielleicht die Bleichergasse entlang oder in den Grünen Weg oder die Gartenstraße, zu den bewaldeten Hügeln hin, die die Siedlung auf der anderen Seite begrenzten, der erkannte bald, dass er eine Reise in die Vergangenheit des Dorfes machte, Schicht für Schicht, der Spaziergang eines Archäologen. Wer wusste, wonach er suchte, konnte direkt hinter den Neubauten noch einige der alten Hütten finden, in denen früher Wanderarbeiter untergekommen waren oder Tagelöhner. Heute waren es Gartenhäuschen und Schuppen, hier und da war nichts geblieben als die Einfassung eines Sandkastens oder Blumenbeetes. Dann kamen die alten Bauernhäuser. Große Bauten meist, aus schmalen, flachen Ziegeln, die zuweilen etwas unordentlich zusammengesetzt wirkten – wie die Legohäuser eines Kindes, das gegen Ende seines Spiels die Geduld verlassen hatte. Heute waren diese Bauernhäuser restauriert, sie standen auf den größten Grundstücken des Dorfes und strahlten den Reichtum derer aus, die ihr Land verkauft hatten, oder derer, die das Geld hatten, dem reich gewordenen Bauern das letzte und wichtigste Stück seines Bodens abzuhandeln. Doch einst waren sie windschief gewesen, die Dächer löchrig und die Flure kalt, und etwas davon war immer noch zu ahnen. Und dahinter kam der älteste Teil des Ortes – einige verbliebene Fachwerkhäuser, zum Großteil verschiefert, wie im Bergischen Land üblich. Auch diese Häuser waren restauriert und liebevoll hergerichtet, meist waren sie von Paaren bewohnt, die zu irgendeinem Zeitpunkt davor gestanden und gedacht hatten, dass genau dies ihr Traumhaus war, ein altes Häuschen im Grünen, billig zu haben, eine Lebensaufgabe für Hobbyhandwerker. Ganz wenige waren klassisch anzusehen, mit ehemals schwarzen Balken und ehemals weißem Fachwerk. Heute waren die Balken zumeist graubraun und das Fachwerk gelblich – kaum eines dieser Häuser war noch bewohnt. Sie verfielen, und hin und wieder erreichte die Langenrather Stadtverwaltung oder den Rat das Schreiben einer besorgten Familie, deren Kind in den künftigen Ruinen gespielt hatte.