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Marder fühlte sich auf der Station gut aufgehoben. Er war nicht sicher, ob diese Klinik eine Ausnahme war oder ob sich in den letzten Jahren generell die Atmosphäre in Krankenhäusern geändert hatte. Früher hatte er bei seinen Aufenthalten manchmal das Gefühl gehabt, er störe durch seine Anwesenheit den normalen Tagesablauf des Personals. Hier behandelte man ihn eher wie einen Gast. Er wurde nicht um |44|fünf Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen, weil die Nachtschicht noch das Bettenmachen zu erledigen hatte. Er durfte bis sieben Uhr schlafen, bevor man ihm die Federn aufschüttelte. Die Mahlzeiten waren nicht länger die Einheitsverpflegung, wie er sie von früheren Krankenhausaufenthalten oder seiner Zeit bei der Bundeswehr kannte. Er konnte es kaum glauben, als ein freundlicher Sozialarbeiter mit einer Menükarte im Zimmer aufkreuzte und ihn nach seiner Wahl der Speisen für den nächsten Tag fragte.
Weil er spät nachts im Krankenhaus eingetroffen war, hatte man ihn nicht gefragt, ob er ein Einzelzimmer wolle oder mit einem Mehrbettzimmer zufrieden sei – man hatte ihn in das nächste freie Bett in der urologischen Station gelegt. Hätte man ihm die Wahl gelassen, hätte er sich wahrscheinlich trotz des Aufschlags für ein Einzelzimmer entschieden, jetzt war er froh, dass er diese Wahl nicht gehabt hatte. Er fand es angenehm, Leidensgenossen zu haben, außer ihm lagen zwei weitere Männer im Zimmer und hatten vergleichbare Probleme. Die Bettnachbarn sprachen anfangs nur zögernd über ihre Beschwerden – Männer reden nun einmal nicht gern über diese Dinge, auch nicht mit Geschlechtsgenossen. Zu seiner Linken lag ein junger Mann um die fünfundzwanzig, und Marder wunderte sich, dass ein Jüngling bereits an Nierensteinen leiden konnte. Er hieß Murat, arbeitete als Programmierer in der Software-Branche und kannte sich in den tiefsten Geheimnissen der Computer aus, was ihn in Marders Augen auf ein intellektuelles Podest hob. Das Bett des jungen Mannes war ständig von Mitgliedern seiner türkischen Familie umstellt, selbst in den Abendstunden. Wenn Murat einmal allein gelassen wurde, schob er Marder einen Teil der |45|Süßigkeiten zu, die man ihm mitgebracht hatte – er brauchte in seinem Nachtschrank Platz für die nächsten Anlieferungen.