Читать книгу Kaltfront. Psychothriller онлайн
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So denke und rede und schreibe ich, um nicht ständig die Infusionsflaschen und Plastikbeutel anstarren zu müssen, aus denen beinahe rund um die Uhr dieser Giftcocktail durch dünne Schläuche in meine Venen rinnt, diese wohldosierte Chemiemixtur, die endlich meine Krebszellen umbringen soll. Denke, rede und schreibe gegen die Übelkeit an, die mich in regelmäßig wiederkehrenden Wellen überfällt, gegen den Gestank, den ich auszudünsten vermeine, gegen den Drang, ständig erbrechen zu müssen, und vor allem gegen die unerklärliche Kälte, die durch meine Adern strömt, als hätten sich meine Blutkörperchen in Eiskristalle verwandelt. Sogar die Ärzte wissen nicht, was diese Kälte verursacht. Mein Blutdruck sei völlig in Ordnung, sagen sie, und die Anzahl meiner Leukozyten ebenso. Doch ich bilde mir das nicht bloß ein, ich friere wirklich.
Statistisch betrachtet ist mein Krebs nicht lebensgefährlich. Ein typisches, häufig vorkommendes Leiden von Männern im fortgeschrittenen Alter, mit einer Heilungschance von fünfundneunzig Prozent. Ich habe mir deshalb auch keine allzu großen Sorgen gemacht. Bis ich vor einer Woche aus dem Zimmer neben dem meinen die halbe Nacht hindurch leises Jammern und Stöhnen vernahm. Aber nachdem ich meine Schlaftablette genommen hatte, schlief ich schließlich doch ein, und am nächsten Morgen war von nebenan nichts mehr zu hören. Ich wusste, dass mein Zimmernachbar den gleichen Krebs hatte wie ich und sich auch im selben Behandlungsstadium befand, und dachte, es ginge ihm wieder besser. Doch als ich mich bei der Nachtschwester nach ihm erkundigte, erklärte sie mir – gleich darauf verlegen und erschrocken, denn sie hätte es mir eigentlich gar nicht sagen dürfen –, dass er in den Morgenstunden gestorben sei. Seither weiß ich, niemand kann mir garantieren, dass nicht auch ich zu den restlichen fünf Prozent gehöre, die es trifft.