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Es erstaunte mich immer wieder, wie einfach es war, Thomas aus seinen moralischen Tiefs herauszuholen, ihn zu befreien aus dem Gefängnis seiner finsteren Gedanken. Ich musste ihn nur geschickt täuschen, dann wechselte er mit fliegenden Fahnen von der feindlichen Welt, die ihn betrog, zur freundlichen Welt, die ihn belog. Die Wahrheit empfand er als Angriff, sie erschreckte ihn, also musste ich eben seine Lügen mit meinen Lügen ausstechen, entscheidend war einzig und allein, dass ich im System blieb.

Unglaublich, wie glücklich er jedes Mal war, wenn ich ihn zur Vernissage eines Prominenten einlud und im Laufe des Abends den Gästen als jungen Maler vorstellte, dessen internationaler Durchbruch unmittelbar bevorstehe, als fantastisches Talent und absoluten Geheimtipp. Und wenn sich der Berühmte dann sogar noch freundlich gemeinsam mit dem jungen Kollegen fotografieren ließ, schwamm Thomas regelrecht in einem Meer von Seligkeit und registrierte überhaupt nicht, dass man hinter seinem Rücken über ihn lächelte und ihn für vieles hielt, für ein schräges Original, für einen kompletten Spinner, für das sympathisch überdrehte Galerie-Faktotum, für alles, nur nicht für einen Künstler. Und obwohl er nie lange anhielt, manchmal nur bis zum nächsten Morgen, vergönnte ich ihm diesen Rausch. Denn, verflucht noch einmal, Thomas war mein kleiner Bruder, und das wird er immer bleiben, auch dann, wenn ich vor ihm sterbe.

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