Читать книгу Altstadt-Blues 2.0 онлайн
6 страница из 91
Nach jedem Treffen spürt sie mehr und mehr, dass sein ausgeprägtes Interesse an allen Facetten ihrer Person, ohne sie je zu bedrängen, ein beachtliches Stück ihrer alten Kraft und Power wieder aufleben lässt. Auch die für immer verloschen geglaubte Flamme von Lust auf Berührungen, auf körperliche Nähe und Beziehung, hat wieder leise zu glimmen begonnen. Zunehmend gelingt es ihr auch, verschüttete Emotionen zuzulassen und dieser unverhoffte Umstand… erfreut sie sehr. Gleich nach dem Frühstück wird sie die Arbeitsutensilien zum Ordnungsamt bringen, und sich anschließend zu der Jugendstilvilla in die Nerotalstraße begeben. Endlich konnte sie sich dazu durchringen, wenn auch mit sehr bangem Bauchgefühl. Seit dem Tod ihres Vaters vor einem halben Jahr hat sie es nicht übers Herz gebracht, das vertraute Interieur ihres Familienerbes alleine zu betreten. Wen hätte sie auch bitten sollen, sie zu begleiten, sie zu unterstützen, sie zu stützen? Ihren Ex? Diesen Dreckskerl … Die Villa in Gonsenheim ist ihr Elternhaus. Alles, was ihr von ihrer Familie geblieben ist. Auch wenn der Zahn der Zeit die Bausubstanz nicht verschont hat. Vom Keller bis zum Dach wartet ihre übervolle Geburtsstätte mit Erinnerungen auf, mit guten und weniger guten. Dort wurde immer alles aufbewahrt und gehortet. Zeugen ihrer behüteten Kindheit und der unbeschwerten Jugend, aber auch bewegende Nachklänge dieser bleischweren Zeit, als ihr Vater und sie, die viel zu früh dahin siechende, vorher so stolze Mutter zu Hause gepflegt hatten. Der schmerzliche Verlust der geliebten Mutter und Ehefrau hatte sie beide verändert. Hatte die Leichtigkeit aus ihrem Leben verbannt. Die destruktive Trauer ihres so veränderten, freudlosen Vaters konnte sie irgendwann nicht mehr ertragen. Sie flüchtete aus dem großen Haus in die Innenstadt, allein in eine Wohnung am Rheinufer. Erst als Hajo in ihr Leben trat, schöpfte sie wieder neue Hoffnung. Die ständigen, insistierenden Argumente ihres Vaters gegen Gerdas schnelle Hochzeit mit Hans-Joachim, seine Vorahnungen über eine vermeintliche Schürzen- oder Mitgiftjägertendenz beim zukünftigen Schwiegersohn, die sie nicht hören wollte.