Читать книгу Das Kreuz. Frank-Rothe-Krimi 3 онлайн
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Sie hatte es nicht eilig. Solange es keinen Schneeregen geben würde, fühlte sie sich im Wagen sicher. Vielleicht sogar mehr als in einem Hotelzimmer. Sie war so sehr in Gedanken, dass sie die Abzweigung nach Teistungen verpasste. Da sie keine Lust verspürte zu wenden, würde sie die kurvenreiche Strecke nach Nesselröden nehmen und versuchen, die Fahrt zu genießen. Sie fuhr die Serpentinen hinunter nach Siemerode, sah links die Windräder, passierte rechts eine kleine Mariengrotte, Reste einer Obstbaumreihe säumten den Weg. Der kalte Nieselregen tauchte die Landschaft in Grau und dimmte ihre Stimmung. Sie passierte Weißenborn und dachte an die Goldene Mark mit dem See. Wenn es vor 2500 Jahren nicht zu diesem Einsturz eines unterirdischen Hohlraumes gekommen wäre, gäbe es den See mit dem angrenzenden Feuchtland nicht. Das Land war zwar weitestgehend drainiert, hatte aber von jeher die Menschen gefordert. Es war niemals leicht gewesen, hier zu leben. Seit den Siebzigern standen weite Flächen unter Naturschutz. Das waren die Fakten, die sie in der Schule gelernt hatte. Aber um sich von der Landschaft berühren zu lassen, musste man sich vom Schulbuchwissen lösen und den Wind auf den Wangen spüren, die von Feuchtigkeit gesättigte Luft einatmen, musste man den Geräuschen lauschen: dem Schlagen des Wassers an das Ufer, dem Rufen der Vögel, dem entfernten Dröhnen der Maschinen, die die Saat ausbrachten. Es hatte Tage gegeben, an denen war ihr Herz mit der Welt im Einklang gewesen. Dieser Seelenfrieden erschien ihr im Nachhinein reiner und klarer als alles, was sie im Laufe ihres Lebens in einer Kirche empfunden hatte. Doch auch wenn sie ihre Heimat vermisste, so konnte sie nicht nach Seeburg zurückkehren.