Читать книгу Tatort Gemeindebau. 13 Kriminalgeschichten aus Wien онлайн
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Du fragst Dich, was das alles mit Dir zu tun hat. Lies weiter, Du wirst staunen. Der besagte Ingenieur hatte über die van Sickles Kontakte nach Kanada und war auch immer wieder beim kanadischen Teil der Familie in Ontario zu Gast. Eines Tages besuchte er jenseits der Grenze zu den nahen USA ein Autorennen im entlegensten Nest, das je Formel-1-Rennen gesehen hat, in Watkins Glen an den Finger Lakes im gleichnamigen Nationalpark in Upstate New York. Als der Ingenieur die Finger Lakes erwähnte, fiel bei mir der Groschen. An den Finger Lakes, so hattest du in den endlosen Spitalnächten erzählt, wächst nicht nur akzeptabler Wein, es gibt dort auch tiefe Wälder, in denen Du in den Sechziger- und Siebzigerjahren wie ein Indianer wochenlang im Wald unterwegs warst, mit Pfeil und Bogen, einem Bowie-Knife und einem Schlafsack. Du warst ja nach dem Staatsvertrag ausgewandert, die alten und jungen Nazi kriechen wieder aus ihren Löchern, hattest Du gesagt, ich mag diese Bande nicht triumphieren sehen, lieber geh ich nach Amerika. Du warst nur der Operation wegen nach Wien zurückgekehrt, in den Staaten warst Du nicht versichert. Du warst damals Partner in einer Garage in Arlington, dem Heimatort Franklin und Eleanor Roosevelts, die beiden hatten dort ein Landhaus oberhalb des Hudson River bewohnt. Woody Guthrie wurde von den Roosevelts dorthin eingeladen, er bekam den Auftrag, einen Song zu schreiben, der den Eintritt in den Krieg gegen Nazi-Deutschland populär machen sollte, ein Vorhaben, das damals in den USA auf großen Widerstand nicht nur der Nazi-Anhänger um Walt Disney, Joseph L. Kennedy (Vater von John F. und Robert), des Zeitungsmagnaten Randolph Hearst und des glühenden Antisemiten Henry Ford stieß. Charlie Chaplin setzte sich für den Kriegseintritt ebenso ein wie die gesamte Linke und Teile der Großbourgeoisie. Und der kommunistische Wandersänger Guthrie, der nicht in Konzerthallen, sondern vor den Orangen- und Zitronenpflückern Kaliforniens auftrat, welche unter sklavenartigen Bedingungen unter Wachtürmen und Stacheldraht lebten, sollte den Song für den Kriegseintritt liefern. Ein talentierter Bursche aus Duluth am Oberen See, Sohn jüdisch deutscher Einwanderer, pilgerte 1961 zum kranken Woody in die psychiatrische Klinik. Und der große alte Mann der Folkmusik spielte dem grünen Jungen den Song, den Franklin Delano Roosevelt bei ihm bestellt hatte, vor. Bob Dylan passte gut auf. In »Song for Woody« und dem späteren »Masters of War« findet sich der Song verewigt. Dass Guthries Kriegslied nicht populär wurde, hing damit zusammen, dass man es nicht mehr benötigte. Die Antwort auf die Frage des amerikanischen Kriegseintritts hatten die Japaner mit ihrem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 geliefert.