Читать книгу Tatort Gemeindebau. 13 Kriminalgeschichten aus Wien онлайн
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Du hattest in der ÖMV gelernt, Erdöltechniker. Ein schöner, ein großartiger Beruf. Bevor Du Mitte der Sechzigerjahre ins Land der brave and free abtschapiert bist, hast Du noch viel Zeit auf den Förderstätten des Weinviertels zugebracht. Was Du mir in langen Nächten in dem Sechzehn-Betten-Saal erzähltest, als wir beide nicht schlafen konnten, Du wegen der Schmerzen nach der gescheiterten Bandscheibenoperation, ich wegen der Schmerzen nach meiner ersten Operation an einem Rückenmarkstumor, habe ich nicht vergessen. Der Achtunddreißigjährige und der Achtzehnjährige redeten sich die Welt nicht schön, wir redeten sie uns erträglich. Gute Erzählungen habe ich damals schon geschätzt, und Deine waren ebenso gut wie die Kurzgeschichten von Hemingway und Faulkner, die ich damals las.
Du erinnerst Dich an den Weinhauer aus Gösing am Wagram, mit »Ich komme aus Gösing und heiße Kögl, das merkt man sich leicht« hatte er sich vorgestellt. Ein vierschrötiger Mensch, voll Lebenslust und Tatendrang. In ein paar Tagen bin ich wieder im Weingarten, hatte er trotzig hinzugesetzt. Nach der ersten Kopfoperation fehlte ihm der halbe Schädelknochen. Nach der zweiten konnte er nur mehr lallen und lag im Bett. Die dritte hat er nicht überlebt. Am Tag vor der letzten Operation stand seine Familie mit der apfelgesichtigen Frau und den vier vom Donner gerührten Kindern um das Bett des Vaters, dessen weit aufgerissene Augen ein einziger stummer Schrei des Entsetzens waren. Das alles geschah in einem halben Jahr, ich lag ja Monate auf der Neurologie, und bei Dir war es auch nicht viel kürzer. Damals hat man die Kranken der Welt entzogen, mehrmonatige Aufenthalte waren im Alten AKH die Norm. Jetzt wirft man akutkranke Patienten nach ein paar Stunden aus den Spitälern, sie sollen schauen, wie sie allein zurechtkommen. Krankenhäuser sind für Ärzte und Pflegepersonal da, Patienten stören den Betrieb.