Читать книгу Allmächd, scho widder a Mord!. Zwölf Kriminalgeschichten aus Ober-, Mittel- und Unterfranken онлайн
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Widerwillig und nur ihrer Mutter zuliebe hatte sich Nelli ein, zwei Mal mit Justus unterhalten. Es waren jedes Mal die gleichen grauenhaften Erfahrungen, die sie sammelte. Der junge Mann kannte nur zwei Themen: Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch und Präzedenzfälle. Andere Themen interessierten ihn nicht. Er hörte keine Musik, fuhr nicht in den Urlaub, las ausschließlich Fachbücher, und politische Themen hasste er sowieso grundsätzlich. Am liebsten saß er zuhause, von Rechtsliteratur umgeben. In ihren wenigen, holprigen Gesprächen mit ihm fiel Nelli auf, dass er mit der Zunge immer wieder an seinen weit auseinanderstehenden Schneidezähnen anstieß und dabei fürchterlich lispelte. Auch das noch.
Nellis Gedanken schweiften wieder in die Gegenwart zurück. Noch immer hielt sie das Bürgerliche Gesetzbuch in den Händen, um sich auf die nächste Klausurarbeit vorzubereiten. Sie klappte das Buch zu und schmiss es in die Ecke, stand auf und betrachtete sich in ihrem hohen Wandspiegel. Es gefiel ihr, was sie sah: eine junge, hochgewachsene, schlanke Frau, mit ebenen Gesichtszügen, eingehüllt in lockige, naturblonde Haare, welche ihr wie eine Löwenmähne bis auf die Schultern fielen. Ihr Busen war gut ausgebildet, aber nicht zu dominant. Gerade richtig. Viel zu schade für einen pickeligen, langweiligen Juristen. Nur mit ihren hellblauen Augen war sie nicht zufrieden. Irgendetwas fehlte. Sie hatten keinen Glanz, keine Lebensfreude. Sie waren da, aber sie wirkten stumpf. Trostlos eben, irgendwie von Hoffnungslosigkeit geprägt. Ihr graute vor den bevorstehenden Feiertagen. Sie fühlte sich wie eingesperrt. ‚Raus, raus hier. Einfach mal ausbrechen‘. Panische Gedanken purzelten ihr durch den Kopf. Abrupt griff sie sich ihr iPhone und wählte die Nummer ihrer Freundin Kathie. Das Freizeichen ertönte.