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Kunigunde Holzmann, Margarethe Bauer und Dirk Loos hatten es endlich geschafft, das neue Fernsehgerät der Marke Philips einzurichten. Gerade meldete der neue Flachbildfernseher, dass der Sendersuchlauf erfolgreich abgeschlossen wurde, und Bild und Ton erschienen auf dem Bildschirm, beziehungsweise tönten aus den Lautsprechern. „Des ist doch a Tatort“, stellte Kunigunde Holzmann fest, „mitn Leitmayr, mein Liebling. Schaut amol des scharfe Bild an“, forderte sie die beiden anderen auf.

„A Wiederholung“, merkte Margarethe Bauer an. „Des Dritte bringt immer Wiederholunga. Ham mer scho gsehn.“

„Stimmt“, bestätigte ihre Freundin, „etz, wos des sagst. Des war doch die Sendung, wo der blede Batic völlig daneben war und auf den falschen Mörder tippt hat. Waßt scho, wo der Leitmayr den Täter mehr oder weniger im Alleingang überführt hat. Kannst dich da nemmer dran erinnern?“

„Doch kann ich scho“, holte die Angesprochene zum Gegenschlag aus, „des war doch der anziche Fall wo sich der Batic – der beste Kriminaler aller Zeiten – mal geirrt hat. Sunst is doch immer der Leitmayr der Blede.“ Die beiden Freundinnen waren bei einem ihrer Lieblingsthemen angekommen, bei dem ihre Meinungen völlig auseinander gehen, obwohl sie sich schon von Kindesbeinen an kennen. Beide sind in Röttenbach geboren, gingen dort zur Schule und leben immer noch in dem Dorf, gar nicht weit voneinander entfernt. Kunigunde Holzmann bewirtschaftet in der Kirchengasse ihr kleines Häuschen, und quasi gleich um die Ecke, in der Lindenstraße, lebt ihre Freundin, mit einem Untermieter unter dem Dach. Wenn man so will, sind sie nie aus Röttenbach herausgekommen. Ihre Ehemänner hat der Herrgott schon vor Jahren zu sich geholt. Nur die Kunni hat noch eine verwandtschaftliche Beziehung im Ort. Ihr Neffe Gerald Fuchs, Kommissar der Erlanger Mordkommission wohnt in der Erlanger Straße. Sie sieht ihn nicht oft. Irgendwie haben sie zu unterschiedliche Ansichten, was die Vorgehensweise bei kriminalistischen Ermittlungenangeht. Und außerdem ist er so ein blöder Hund: Da arbeitet er seit Jahren mit so einer netten, attraktiven Assistentin zusammen, aber dass er als Single mal die Chance wahrgenommen hätte … Wie gesagt, in jeder Hinsicht einfach zu blöd. Im Dorf sind die beiden Witwen als die Kunni und die Retta fast jedermann bekannt. Nach außen hin völlig unterschiedlich, sind sie doch die besten Freundinnen. Einzig die Fernsehserie Tatort, welche nahezu jeden Sonntag im Ersten läuft, verursacht hie und da einen im Grundsatz nicht ernst zu nehmenden Streit zwischen den beiden – besonders wenn die beiden Münchner Kommissare Leitmayr und Batic ermitteln. Während die Kunni Kommissar Leitmayr und seine kriminalistischen Fähigkeiten fast abgöttisch verehrt, steht die Retta mehr auf seinen Kollegen Batic. Gerade weil die Kriminalistik sich in den letzten Jahren zu einem der Steckenpferde der beiden entwickelt hat – sie haben schon so manchen verzwickten Fall gelöst – geraten sie sich darüber nicht selten in die Haare. Doch solche Dispute sind immer nur von kurzer Dauer und werden nur oberflächlich ausgetragen. Weit vor der Kriminalistik rangiert ein anderes Hobby: Die beiden essen für ihr Leben gern. Nicht alles. Wenn schon denn schon, und das bedeutet im Fall der beiden Röttenbacherinnen vorzugsweise Gerichte aus der fränkischen Küche. Deftige Schäuferle, gebackene Karpfen aus heimischen Gewässern und Krautwickerli stehen ganz oben auf ihrer Hitliste. Grünkohl, Pinkel und ähnliches preußisches Gefresse, meiden die beiden wie der Teufel das Weihwasser. Neben den kulinarischen Exzessen betreiben die beiden Witwen außerdem ein exzellentes Networking, was heißen soll, sie lieben Klatsch und Tratsch. Was auch immer im Dorf passiert, sie sind stets bestens informiert. Sie kennen Hinz und Kunz, und selbst über so manche zugezogene Preußen wissen sie im Detail Bescheid. Natürlich führt ihr fortgeschrittenes Alter – sie befinden sich mittlerweile im vierundachtzigsten Lebensjahr – zu so manchem Handicap. Insbesondere was ihre Mobilität angeht. So bringt die Kunni bei einer Körpergröße von einem Meter neunundfünfzig ein stattliches Kampfgewicht von circa vierundachtzig Kilogramm auf die Waage. Dass da Probleme mit ihren Knien nicht ausbleiben, ist nicht verwunderlich. Immer öfter greift sie zum Rollator. Die Retta hingegen ist rank und schlank und läuft wie der Motor eines Ferraris, frisch aus der Fabrik. Okay, sie spürt die Gicht in ihren Fingergelenken, aber ihre schlanke Figur und ihr modisches Outfit geben ihr – aus der Ferne betrachtet – das Aussehen einer Endfünfzigerin. Darauf ist sie mächtig stolz.

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